Monat: Mai 2019

Abmahnen, aber richtig

Im Zusammenhang mit meiner erfolgreichen Entsperrung durch Twitter werde ich gerade andauernd gefragt, wie so eine Abmahnung funktioniert. Das Vorgehen gegen Twitter hat die Kanzlei Löffel Abrar auf ihrem Blog vor einigen Tagen ganz richtig beschrieben. Die Abmahnung ist nach deutschem Recht notwendig, damit Twitter in einem gerichtlichen Verfahren einem Antragsteller bzw. Kläger nicht entgegenhalten kann, dass es über den Grund der Beschwerde nicht informiert worden sei. Außerdem, und das ist die wohl noch wichtigere Wirkung, setzt es ein deutliches Zeichen: Sie meinen es nun sehr ernst!

Auf vielfache Nachfrage habe ich eine kleine Hilfestellung niedergeschrieben. Sie soll alle unterstützen, die mit dem richtigen Text für das Abmahnungsschreiben ringen.

Achtung: Die folgende Anleitung richtet sich ausschließlich nach dem deutschen Recht. Sie gilt nicht für Österreich, nicht für die Schweiz, nicht für Belgien, nicht für Luxemburg und schon gar nicht für Länder außerhalb des deutschen Sprachraums. Falls Sie dortiger Twitter-Nutzer sind, fragen Sie einen freundlichen Advokaten Ihres Rechtssystems nach Rat!

Grundsätzlich gilt: Das folgende Muster ist nur ein Beispiel, wie man die Sache angehen kann, und sollte auf den individuellen Einzelfall angepasst werden. Ich übernehme auch keinerlei Gewährleistung und Haftung dafür, dass die Abmahnung erfolgreich ist und wie in meinem Fall zur Entsperrung des Accounts führt!

Wer es nach dieser Vorrede dennoch probieren möchte, Twitter abzumahnen, der muss sich zunächst klar machen, dass er an das Unternehmen ein Fax versenden sollte. Ja, Sie haben richtig gelesen: Im Jahre 2019 ist das Fax die sicherste Kommunikationsform gegenüber einem globalen Internetkonzern, denn ein Brief nach Irland (Twitter hat keinen offiziellen Geschäftssitz in Deutschland) bzw. in die USA hat eine relativ lange Laufzeit (was sich negativ auf das Fristerfordernis eines einstweiligen Verfügungsverfahrens auswirken könnte). Sie erhalten bei einem Brief, wie bei einer E-Mail, auch keinen Beleg, dass Ihre Abmahnung den Empfänger auch erreicht hat. Die gute alte Faxquittung ist daher Ihr Freund!

Sie adressieren Ihre Abmahnung also auf Ihrem eigenen Briefpapier an die

Twitter International Company
One Cumberland Place
Fenian Street
Dublin 2, D02 AX07
Ireland
Nur per Fax: +1-415-222-9958

Das Pluszeichen wird in Deutschland als zwei Nullen gewählt, die Vorwahl lautet also 001. Obwohl unser Adressat in Dublin sitzt, ist die einzige Faxnummer, die Twitter auf seinen Seiten selbst angibt, ein Anschluss im US-Bundesstaat Kalifornien (Vorwahl 415). Eigentlich ist die Faxnummer für die Meldung krimineller Aktivitäten gedacht, aber das soll uns nicht weiter bekümmern, denn nach der deutschen Rechtsprechung muss sich ein Unternehmen bzw. eine Behörde so organisieren, dass Schreiben über externe Kommunikationskanäle die richtige Stelle erreichen. Und wenn Twitter es nicht schafft, eine europäische Faxnummer anzugeben, dann ist das nicht das Problem des Verbrauchers.

Sie können übrigens das Schreiben getrost in deutscher Sprache verfassen. Das Angebot Twitters richtet sich in deutscher Sprache auf dem deutschen Markt an deutsche Verbraucher. Sie bereiten einen Rechtsstreit vor einem deutschen Gericht vor, das eine Entscheidung treffen soll, die über die europäischen Regelungen am Geschäftssitz von Twitter in Irland auch vollstreckungsfähig ist. Es ist dem Unternehmen daher problemlos zumutbar, ein deutsches Schreiben zu lesen und zu verstehen.

In die Betreffzeile schreiben Sie das Wort Abmahnung.

Danach könnte es wie folgt weitergehen:

Sehr geehrte Damen und Herren

ich bin Inhaber des Accounts @Besorgter_Twitternutzer (hier fügen Sie natürlich Ihren eigenen Twitternamen ein!) des von Ihnen unter der Adresse twitter.com betriebenen sozialen Netzwerkes. Aufgrund meines Tweets vom xx.yy.2019, xx:yy Uhr, haben Sie meinen Account am [Datum] gesperrt. Dies begründeten Sie damit, dass mein Tweet eine irreführende Information über Wahlen enthielte (oder was sonst der Sperrgrund in Ihrem Fall ist). Seither sind mir sämtliche Funktionen Ihres Netzwerks versperrt.

An dieser Stelle können Sie kurz beschreiben, warum Sie glauben, zu Unrecht gesperrt worden zu sein. Bei mir lautete die Begründung so:

Tatsächlich ist mein Tweet vom Recht auf Meinungsäußerungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 GG umfasst. Dass es sich um eine ironische Bemerkung handelt, ist nicht zuletzt durch den Smiley am Ende des Tweets deutlich zu erkennen.

So kurz habe ich es tatsächlich gehalten. Sie müssen im Rahmen einer Abmahnung keine Romane schreiben – es reicht, den beanstandeten Verstoß kurz zu nennen, um dem Gegenüber die Möglichkeit der rechtlichen Überprüfung des Sachverhaltes zu geben. Sie können natürlich auch auf einen komplett missverstandenen Inhalt, übersehene Ironie, eine Äußerung im Rahmen Ihrer beruflichen oder geschäftlichen Tätigkeit etc. abheben – je nachdem, was auf Ihren Fall zutrifft.

Weiter geht es im Text:

Die Sperrung geschah daher rechtsmissbräuchlich. Sie verletzt weiterhin den zwischen uns bestehenden Nutzungsvertrag. Ich bin zudem bereits seit [Monat und Jahr] Nutzer Ihres Netzwerks. Ihre jüngsten Lösch- und Sperrregelungen haben Sie daher überhaupt nicht wirksam in den zwischen uns bestehenden Nutzungsvertrag einbezogen.

Seit wann Sie Twitter-Mitglied sind, können Sie auf Ihrem (wahrscheinlich auch ohne Login zugänglichen Profil) nachlesen. Wenn Sie nicht gerade in den letzten Tagen beigetreten sind, hat Twitter die Regeln zur Manipulation von Wahlen durch Falschinformationen mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht wirksam in das zwischen Ihnen und Twitter bestehende Vertragsverhältnis einbezogen.

Falls Sie Einspruch gegen die Sperrung erhoben haben, was dringend anzuraten ist, sollten Sie noch diesen Textbaustein einfügen:

Auf meine Einsprüche vom [Tag] und vom [Tag] haben Sie bisher nicht reagiert.

Sodann folgt, am besten fettgedruckt, der Anspruch, auf den Sie sich stützen und den Sie möglicherweise im einstweiligen Verfügungsverfahren weiterverfolgen wollen:

Ich fordere Sie daher nunmehr letztmalig dazu auf,  es zu unterlassen, den Tweet
„Hier steht der Tweet, um den es geht“
zu löschen und/oder mich wegen dieses Beitrags auf twitter.com zu sperren und/oder mir den Zugang zu dessen Funktionen zu verschließen.

Hierfür setze ich Ihnen eine letzte Frist bis zum
xx.yy.2019, xx.yy Uhr deutscher Zeit.

Der Reaktionszeitraum für Twitter sollte knapp, aber nicht zu kurz bemessen sein, damit das Netzwerk eine reale Gelegenheit zur Überprüfung hat. Da die Frist für ein einstweiliges Verfügungsverfahren nach deutschem Recht sehr kurz ist, schlage ich hier ein bis zwei Tage vor. Ich selbst habe Twitter rund 30 Stunden Zeit gegeben, und nach etwa zwölf Stunden (ein paar Stunden nach Arbeitsbeginn in Kalifornien) war mein Account entsperrt.

Folgen sollte nun der magische Satz

Sollten Sie bis zum Ende der Frist weiterhin untätig bleiben, werde ich unverzüglich gerichtlicher Hilfe nachsuchen, um meinen Anspruch durchzusetzen.

Nun sollte auch der Letzte verstanden haben, dass Sie es ernst meinen und notfalls ein einstweiliges Verfügungsverfahren anstrengen oder eine Klage erheben werden.

Ob Sie „Mit freundlichen Grüßen“ oder „Mit der Ihnen gebührenden Hochachtung“ grüßen wollen, bleibt völlig Ihnen überlassen. Sie sollten die Abmahnung allerdings noch handschriftlich unterschreiben.

Sodann kann das Fax auf die Reise gehen. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg!

 

Twitter abgemahnt

Wie die fleißigen Leserinnen und Leser meines Blogs wissen, hat Twitter am vergangenen Freitag wegen eines alten Witzes über das Unterschreiben von Stimmzetteln meinen Account gesperrt. Meine Einsprüche vom Freitag und Samstag sind bis heute ohne Reaktion geblieben. Daher bin ich heute Vormittag dem Vorschlag der Kanzlei Löffel Abrar gefolgt und habe das Unternehmen per Fax abgemahnt. Die gesetzte Frist läuft bis morgen Abend um 18.00 Uhr – in mehr als 30 Stunden sollte ein globaler Internetkonzern in der Lage sein, auf das richtige Knöpfchen zu drücken. Sollte mein Account bis dahin nicht wieder zugänglich sein, werde ich versuchen, vor Gericht eine einstweilige Verfügung gegen Twitter zu erwirken.

Übrigens bin ich seit heute auch bei Mastodon aktiv. Das Netzwerk sieht erfolgversprechend aus, und Rechtsextreme habe ich bisher auch nicht gesichtet.

Update: Twitter hat meinen Account rund zwölf Stunden nach Erhalt der Abmahnung wieder freigeschaltet.

Fanpost

Wieder einmal habe ich Fanpost bekommen. Diese hier ist allerdings derart hanebüchen, dass ich sie gerne mit meinen Leserinnen und Lesern teilen möchte. Anonymus schreibt (alle Rechtschreibfehler wie im Original):

Wa sind sie denn für ein Spinner ???

…in einer Judenpartei wobei dieser Gott der Juden 2,5 Milliarden Menschen hat schlachten lassen, und über den WWII schreiben Sie nur Lügen, Sie haben einen echten Dachschaden….
und als Jurist wissen sie das Deutschland eine Firma ist und eben alle Gesetze ja sogar das GG nicht mehr gültig sind.

Nur dumme kürzen SOzalist mit ZI und Lager mit Z ab.

Handelt es sich um einen Aluhut? Einen Wahnwichtel? Einen Reichsbürger? Gar einen in der Wolle gefärbten Nazi? Man weiß es nicht. Zweifellos jedenfalls ein Antisemit und Internet-Troll, von dem man am liebsten überhaupt nichts mehr lesen möchte. Falls jemand in der Lage sein sollte, einen bestimmten Internetanschluss mittels einer IP zu identifizieren, freue ich mich über eine Nachricht.

Twitter kippt nach rechts

Pünktlich zum Jahrestag der Bücherverbrennung am 10. Mai hat es der Kurznachrichtendienst Twitter geschafft, zahlreiche Accounts von Juristen, Politikern, Publizisten und anderen Nutzern zu sperren – darunter auch meinen. Was ist passiert? Das soziale Netzwerk hat neue Regeln eingeführt, um zu verhindern, dass Falschinformationen zur Europawahl am 26. Mai 2019 verbreitet werden. Dieses an sich löbliche Ansinnen hat Twitter aber entweder extrem schlecht programmiert, so dass auch uralte Tweets sowie leicht erkennbare Ironie direkt zu einer Sperre des Accounts führen. Oder, und das erscheint angesichts der Nicht-Reaktion des Netzwerks mittlerweile nicht unwahrscheinlich, die Twitter-Eigentümer verfolgen mittlerweile eine Agenda am rechten politischen Rand.

Anders als manch feixende Rechtsextreme behaupten, hat diese Sperre allerdings nichts mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) zu tun, das dafür sorgen soll, volksverhetzende und sonst strafbare Inhalte in sozialen Netzwerken wirksam zu unterbinden. Die Entscheidungen Twitters, auch völlig rechtskonforme Informationen zu entfernen, kann es jedenfalls nicht auf das NetzDG stützen. Denn rechtlich nicht zu beanstandende Äußerungen werden vom Anwendungsbereich des NetzDG überhaupt nicht erfasst, was man leicht am Wortlaut des § 3 des kurzen Gesetzes erkennen kann. Außerdem beschränkt Twitter sich nicht auf eine Löschung der beanstandeten Tweets, sondern macht den Accountinhaber durch eine Sperre gleich völlig mundtot. Auch mit Zensur hat die Sache nichts zu tun, denn als ich das letzte Mal nachgeschaut habe, war Twitter noch kein staatliche Behörde.

Wahrscheinlich handelt Twitter jedoch rechtswidrig, weil es durch sein Verhalten das Vertragsverhältnis mit den betroffenen Nutzern verletzt. Es ist nämlich ein weit verbreiteter Irrtum, dass kostenlose Dienste wie Twitter gegenüber ihren Benutzern keine vertraglichen Pflichten hätten. Solange Twitter eine Dienstleistung verspricht und mit den empfangenen Daten Geld (z.B. durch die Ausspielung von Werbung) verdient, darf es nicht einseitig Löschungen erzwingen und Zugänge sperren – jedenfalls sofern sich ein betroffener Benutzer zuvor nicht selbst rechts- bzw. vertragswidrig verhalten hat. Irgendwelche Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die die neuen Regelungen zur Wahlinformation enthalten und die Twitter nun auch auf alte Tweets anwendet, hat es jedenfalls bei Bestandsnutzern nicht wirksam in das Vertragsverhältnis einbezogen.

Der Grund für meine ganz persönliche Sperre liegt in einem Tweet aus dem Januar  2019, also viele Wochen vor den neuen Twitter-Regeln für Wahlinformationen. Darin hatte ich den alten Witz gebracht, dass AfD-Wähler wohl vergessen hätten, ihren Wahlzettel zu unterschreiben. Dieser Spruch ist so banal, so abgedroschen, so erkennbar unrichtig und so offensichtlich vom Recht der freien Meinungsäußerung umfasst, dass ich mich fast schäme, ausgerechnet deswegen gesperrt worden zu sein. Dass ich mich in sehr guter Gesellschaft befinde, zeigen allerdings die Twitter-Sperren des Rechtsanwalts Kim Manuel Künstner, der PARTEI Niedersachsen, des Sprechers der Berliner SPD-Fraktion Sven Kohlmeier, der Jüdischen Allgemeinen etc. Die Liste ließe sich noch deutlich verlängern.

Twitter hat mir angeboten, den Tweet entweder zu löschen oder gegen die Sperrung Einspruch einzulegen. Ich hänge wahrlich nicht an dem Tweet mit dem alten Witz. Allerdings widerspricht es meinem Charakter, von dem Kakao zu trinken, durch den mich das Unternehmen Twitter gerade zieht. Dieses offensichtlich rechtswidrige Handeln werde ich nicht unterstützen, indem ich einen harmlosen Tweet lösche, nur weil er einigen Gestalten vom rechten Rand nicht gefällt. Deshalb habe ich gleich am Freitag mit einer recht launigen und kurzen Begründung Einspruch gegen die Löschung erhoben. Dieser wurde dann allerdings nicht beschieden. Stattdessen bot mir das Netzwerk am Samstag gleich noch einmal an, Einspruch zu erheben. Das habe ich dann noch einmal getan und in der Begründungszeile gefragt, ob das Unternehmen gesteigerten Wert darauf lege, mit mir eine gerichtliche Auseinandersetzung über die Rechtswidrigkeit des beanstandeten Tweets zu führen. Darauf folgte bis jetzt, Montagabend, keine Reaktion.

Wahrscheinlich sind Twitters Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit der Bearbeitung solcher Einsprüche befasst sind, zeitlich und intellektuell deutlich überfordert. Gern werden Entscheidungen über gesperrte Inhalte, sofern sie überhaupt von Menschen und nicht von Algorithmen getroffen werden, in ferne Länder mit anderen Sprachen und billigen Löhnen ausgelagert. Dass Twitter sich rechtlich auf dünnem Eis befindet, zeigt allerdings die meines Erachtens zutreffende Einschätzung der Kanzlei Loeffel Abrar, die ein prozessuales Vorgehen gegen Twitter empfiehlt. Nicht umsonst wird im Netz bereits danach gefragt, ob man nicht das kostengünstige Instrument der verbraucherrechtlichen Musterfeststellungsklage nutzen sollte, um Twitter das rechtswidrige Sperren auszutreiben.

Dass das neue Instrument der Meldung von Falschinformationen zu Wahlen von Rechtsextremen systematisch genutzt wird, um politische Gegner mundtot zu machen, verwundert nicht. Wenn der rechte Rand versucht, selbst so unbedeutende Twitterer wie mich mundtot zu machen, die ohne Prominenz und ohne jegliches politische Mandat nur wenigen tausend Followern ihre oft pointierte, aber zumeist unmaßgebliche Meinung sagen, zeigt das den Fanatismus und die undemokratische Diskurskultur der Rechtsextremen. Seit Jahren versucht der rechte Rand, finanziert aus dubiosen Quellen, jede Äußerung gegen organisierte Menschenfeindlichkeit, Rassismus und Ausländerhass sowie die blaue Nachfolgepartei der NSDAP mundtot zu machen. Ich habe zwar derzeit keinen Zugang zu meinem Twitteraccount, kann aber trotzdem lesen, dass rechtsextreme Troll-Accounts und Antisemiten unter meinen letzten Tweets mit allerlei Häme und falschen Behauptungen meine Sperrung abfeiern. Diese Leute haben offensichtlich nichts anderes zu tun, als den lieben langen Tag Tweets zu melden, die sich kritisch mit den dunklen Machenschaften der Rechtsextremen und ihrer politischen Vertreter auseinandersetzen. Bisher hatte das wenig Erfolg – nun haben sie ein Instrument gefunden, das ihnen Twitter offenbar willig in die Hand gedrückt hat.

Das Ziel der Rechtsextremen besteht in der Hegemonie über den öffentlichen Diskurs. Die AfD und ihre Gesinnungsgenossen haben es in den letzten Jahren vermocht, die Grenzen des Sagbaren immer weiter nach rechts zu verschieben, um die Dümmsten und Bösartigsten dieses Landes dazu zu bewegen, sie ins Parlament zu wählen – bekanntermaßen waren sie damit erfolgreich. Juden- und Islamhass werden in Deutschland mittlerweile wieder offen ausgelebt, einige Teile der (ost-)deutschen Provinz gelten sogar als „national befreite Zonen“. Das nächste Ziel der Rechten besteht darin, sichtbare Exponenten des demokratischen Rechtsstaats und der Zivilgesellschaft zu beschädigen – von der „Merkelnutte“ über die „Klimagöre“ bis hin zum „linksgrünversifften Rechtsverdreher“ (alles Begriffe, die für Twitter übrigens kein Grund zum Sperren sind). Da passt ein Jurist, der (noch) CDU-Mitglied ist und sich stets für die Achtung von Grund- und Menschenrechten ausspricht, ideal ins Feindbild der Rechtsextremen. Warum sollte man auch zwischen Linken, Grünen, Sozial-, Frei- und Christdemokraten differenzieren, wenn sie doch alle Teil des verhassten demokratischen Nachkriegsdeutschlands sind? Wer das nationalsozialistische Unrecht zum „Fliegenschiss“ umlügt, weiß genau, in wessen Fußstapfen er tritt.

Das massenweise Melden führt dazu, dass sich lustigerweise gleich mehrere Twitter-Nutzer damit brüsten, mich zum Schweigen gebracht zu haben. Antisemiten und Muslimhasser (die natürlich „nur gegen Beschneidungen“ oder „nur gegen das Kopftuch“ sind, wer’s glaubt wird selig) geben sich die Klinke in die Hand. Der sich von mir beleidigt fühlende Christoph Lemmer aus Bad Aibling, an den ich mich nicht einmal erinnere und dessen rechtlich unbeholfenes Impressum mich erheitert (Unterlassungsverfügung vor dem Landgericht Hamburg, anyone?), berühmt sich zwar heftig, mich zur Strecke gebracht zu haben. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass die Aussage des österreichischen Politikberaters  Robert Willacker stimmt, dass er mich wegen unzutreffender Aussagen zur Wahl gemeldet und Twitter mich auf seine Veranlassung hin gesperrt hat. Laut seinem Profil ist Willacker in der rechtsextremen Verbindungsszene aktiv und in der österreichischen Politik gut vernetzt. Er arbeitet für die Wiener Politikberatungsgesellschaft Policon. Seit ihrer Regierungsbeteiligung hat die FPÖ wieder vermehrt Zugang zu den Finanzmitteln der Republik Österreich und ist daher in der Lage, solche Berater zu finanzieren, die auch in den deutschsprachigen Nachbarländern massiv die Politik beeinflussen (sollen).

Profilbild des rechtsextremen Twitter-Nutzers Robert Willacker. Will er besonders lässig wirken? Kann er sich alleine nicht die Schleife binden? Man weiß es nicht und will es eigentlich auch nicht wissen.

Der rechte Sumpf ist ein gesamteuropäisches Problem, und Twitter nur ein kleines Mosaiksteinchen. Die jüngsten Sperrungen werden auf Antrag der FDP-Fraktion am Mittwoch im Digitalausschuss des Deutschen Bundestages in nichtöffentlicher Sitzung thematisiert werden. Ob das Netzwerk darauf reagieren wird, ist noch ungewiss. Bis dahin haben wir Nutzer eine Option: uns einen anderen Ort zum Diskutieren zu suchen. Es gibt genug Alternativen zu Twitter. Ich werde mein Profil zwar noch nicht löschen, sondern erst noch die Reaktion auf meinen Einspruchs abwarten und dann die möglichen weiteren Schritte überdenken. Für alle Fälle habe ich mir aber schon ein Profil bei Mastodon eingerichtet. Vielleicht sehen wir uns dort, oder gerne auch hier auf dem Blog!