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Facebook ist kaputt, oder:
Warum ich wieder blogge

Als ich mich im Herbst 2006 bei Facebook angemeldet habe, wurde in Deutschland gerade ein Netzwerk namens Studi-VZ populär. Dessen amerikanisches Vorbild Facebook war noch klein, fein und komplett in englischer Sprache gehalten. Damals saß ich in der kleinen Bibliothek des International Student House in der Nähe des Washingtoner Dupont Circle, legte ein Profil an und vernetzte mich mit meinen Freunden aus den USA, Südkorea, Japan und Taiwan. Mit ihnen lebte, lernte und feierte ich zusammen. Gesprochen haben wir über akademische Themen, den aktuellen und zukünftigen Berufsweg, die Familie und natürlich über dies und das. Deutsche Freunde nutzen Facebook damals so gut wie überhaupt nicht.

Elf Jahre später bietet Facebook ein komplett anderes Bild. Das Netzwerk ist seit Oktober 2010 auch in Deutschland aktiv und hat mittlerweile zwei Milliarden mindestens einmal im Monat aktive Nutzer, davon 31 Millionen in Deutschland. Das einstige Akademiker-Netzwerk ist für den Warenabsatz, zur Jobsuche, als Newsportal und im politischen Meinungskampf mittlerweile für viele unverzichtbar geworden.

Aber diese Relevanz hat auch Schattenseiten. Zumindest in seinem deutschsprachigen öffentlichen Teil ist Facebook vielerorts zu einer Kloake des blanken Hasses und des offenen Rassismus verkommen. Wenn man sein Profil komplett privat hält und sich nur mit seinen Freunden und Bekannten austauscht, erreicht man eventuell noch einen gewissen Nutzwert des Netzwerks. In den öffentlichen Bereichen tobt allerdings der Mob, und der ist immer häufiger völkisch-national, fremden- und demokratiefeindlich sowie zutiefst blaubraun gefärbt. Typisch für diese Angriffe ist, dass sie oft in himmelschreiend schlechter Orthografie vorgetragen werden, während zugleich oft die Höhe der deutschen Kultur im Vergleich zum Islam, den USA oder der jeweils tagesaktuell feindlichen Gruppe beschworen wird.

Kaum jemand, der auf Facebook mit offenem Visier und unter realem Namen völlig normale Kommentare zu Politik, Wirtschaft oder Kultur abgibt, ist dort noch nicht von den unterschiedlichsten Polit-Aktivisten und einer Horde von Trollen und Fake-Profilen angegriffen, denunziert oder sogar bedroht worden. Oft sind diese Profile nur wenige Tage oder sogar Stunden alt und tarnen sich mit allerlei unechten Namen, Profilbildern von Haustieren oder gestohlenen Fotografien.  Mehr als einmal wurden mir selbst ungewollte Hausbesuche, Körperverletzungen oder sogar die Vergewaltigung meiner Frau angedroht.

Trotz Druckes aus der Politik und des verunglückten Netzwerk-Durchsetzungsgesetzes (NetzDG) (das von dem recht hohen illiterarischen Anteil der rechtsextremen Facebook-Horden oft fälschlich zum „Netzwerk-Durchsuchungsgesetz“ umdeklariert wird), tut Facebook recht wenig, um den rechtsextremen Tendenzen Herr zu werden. Das mag sich einerseits durch die Unfähigkeit und Überforderung der Mitarbeiter der Bertelsmann-Tochter Arvato erklären, die Facebook als deutsche Kontrollinstanz engagiert hat. Andererseits wird aber auch das geschäftliche Kalkül des Netzwerks einen gehörigen Anteil haben, denn die AfD und ihre Klientel sind dankbare Werbekunden, die von Facebook im Bundestagswahlkampf sogar strategisch beraten wurden, wie sie ihre fake news am wirkungsvollsten in den digitalen Äther streuen und bei den Wählern maximale Wirkung erzielen können.

Gesperrt werden dagegen seit Monaten immer mehr Menschen, die darüber nicht länger schweigen und ihre Stimme gegen Rassisten und Rechtsextremisten erheben. Dahinter mag auch die Strategie dieser Leute stecken, kritische Kommentare massenhaft über von Einzelnen gesteuerte Accounts zu melden, so dass eine automatische Sperrung erfolgt. Automatisierte Sperrsysteme, die allein auf die Zahl von Meldungen reagieren, sind mit Zitaten von verfassungsfeindlichen und volksverhetzenden Äußerungen und erst recht mit Stilmitteln wie Ironie und Sarkasmus ganz offenbar noch überfordert. So passierte es auch mir mehrfach, dass ich in politischen Diskussionen plötzlich für einen oder mehrere Tage gesperrt wurde.

Ein solches bewusst dysfunktionales System möchte ich nicht mehr in dem Maße aktiv unterstützen, wie ich es bisher getan habe. Außerdem möchte ich die Kontrolle über meine Inhalte und die Diskussionen mit Freunden und Bekannten behalten – unabhängig davon, ob das einer rechtsextremen Klickarmee und einem schlecht programmierten Algorithmus gefällt oder nicht.

Allerdings habe ich weltweit auch noch hunderte von Freunden und Bekannten auf Facebook, und eine ähnlich funktionale Alternative für diese Plattform ist leider noch nicht in Sicht. Daher werde mich nicht komplett von Facebook zurückziehen. Allerdings wird diese Plattform für mich hinsichtlich meiner Social-Media-Aktivitäten nur noch dritte Wahl sein. Ich habe mich ganz bewusst dafür entschieden, mein zu Studien- und Referendarszeiten geführtes Blog Obiter dictum wieder zu reaktivieren. Gleichzeitig twittere ich wieder erheblich mehr als früher. Sowohl die hiesigen Blogbeiträge als auch die Twitter-Tweets erscheinen auf meinem Facebook-Profil.

Die Facebook-, Instagram- und Messenger-Apps auf meinem Smartphone habe ich mittlerweile gelöscht. Wer sicher gehen will, mich zu erreichen, sollte daher nicht auf Facebook, sondern entweder hier einen Kommentar hinterlassen, mich auf Twitter kontaktieren oder ganz altmodisch eine E-Mail schreiben. Ich freue mich über (fast) jeden Kommentar zu den künftigen Artikeln in diesem Blog. Allerdings gebe ich auch ein Wort der Warnung mit auf den Weg: Wer glaubt, er könne hier auf dem gleichem Niveau wie bei Facebook rechtsextreme Hetzparolen von sich geben, wird daran nicht lange Freude haben, Als linksgrünversiffter antideutscher Rotfaschist (früher auch bekannt als CDU-Mitglied) bin ich es nämlich mittlerweile gewohnt, bei demokratie- und rechtsstaatswidrigen Sprüchen auf das Lösch-Knöpfchen zu drücken.

In diesem Sinne: Auf ein Neues!