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Das Widerstandsrecht des Art. 20 Abs. 4 GG oder Der Streit um den Tyrannenmord (Teil 1)

Etwa eine Woche lang hat ein Shitstorm gegen meine Person angedauert, der von rechtsextremen Kreisen gesteuert und befeuert wurde. Tausende von Hasskommentaren mit Beleidigungen, Bedrohungen und sogar Mordankündigungen haben mich per E-Mail, über die sozialen Netzwerke und sogar über meinen Arbeitgeber erreicht. Auslöser des Hasses ist ein Tweet an einen Juristenkollegen, der sich mit der Legitimität gewalttätigen Handelns nichtstaatlicher Akteure beschäftigt. Im ersten Teil dieser Serie von Blogartikeln habe ich mich mit der grundsätzlichen Frage beschäftigt, ob und wann die Ausübung von Gewalt im demokratischen Rechtsstaat rechtmäßig ist. Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit dem Sondertatbestand des Art. 20 Abs. 4 GG, auf den sich mein Tweet bezieht. Im heutigen ersten Teil dieses Beitrags geht es zunächst um die Entstehungsgeschichte der Norm. Der zweite Teil wird sich mit dem Inhalt und den Grenzen des Widerstandsrechts auseinandersetzen.

Im Jahre 1945 lag Deutschland nicht nur materiell, sondern auch moralisch in Trümmern. Das zwölf Jahre andauernde, „tausendjährige Reich“ hatte nicht nur einen verbrecherischen Angriffskrieg vom Zaun gebrochen und weite Teile Europas verheert, sondern auch Millionen von Zivilisten aus niedrigsten Beweggründen ermordet – in den Konzentrationslagern Auschwitz, Majdanek, Belzec, Treblinka und Sobibor sogar auf industrielle Art und Weise. Der deutsche Staat, eine einstmals stolze Kulturnation, war verantwortlich für einen ebenso traurigen wie singulären Höhepunkt in der Verbrechensgeschichte der Menschheit.

Als Reaktion darauf verlor Deutschland nicht nur einen Teil seines Territoriums, dessen bisherige Bewohner größtenteils vertrieben wurden. Es wurde auch den Besatzungsmächten unterstellt, die für eine gewisse Zeit die deutsche Staatsgewalt ausübten. Dass dies, gerade vor dem Hintergrund des soeben beginnenden Ost-West-Konfliktes, kein Dauerzustand bleiben konnte, wurde den Regierungen in Washington, London und Paris sehr schnell klar. Auf der Londoner Sechs-Mächte-Konferenz im Frühjahr 1948, an der neben den drei westlichen Besatzungsmächten auch die Regierungen der Niederlande, Belgiens und Luxemburgs teilnahmen, wurde der zukünftige Status des westlichen deutschen Landesteils intensiv diskutiert. Die Mächte einigten sich auf einen föderativen Staatsaufbau unter internationaler Kontrolle der Montanindustrie. Damit waren nicht nur die Weichen für die Gründung der Bundesrepublik, sondern auch der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl gelegt, die sich mittlerweile zur Europäischen Union weiterentwickelt hat.

Der weitere Verlauf der Geschichte ist bekannt: Auf dem Konvent von Herrenchiemsee und im Parlamentarischen Rat in Bonn wurde das Grundgesetz erarbeitet, das zunächst die westdeutschen Bundesländer annahmen (lediglich Bayern stimmte nur unter dem Vorbehalt zu, dass mindestens zwei Drittel der übrigen Länder das Grundgesetz ratifzierten). Am 23. Mai 1949 stimmte auch der Parlamentarische Rat mit Ausnahme zweier kommunistischer Abgeordnete für die neue deutsche Verfassung.

Als das Grundgesetz am 24. Mai 1949 in Kraft trat, stellte es einen bewussten Gegenentwurf zur nationalsozialistischen Terrorherrschaft dar, indem es die Menschenwürde als zentralen Verfassungswert benannte und den Katalog der Grundrechte für die deutschen Bürgerinnen und Bürger sowie der Menschenrechte den Normen über den Staatsaufbau voranstellte. In Art. 20 GG fanden sich die Staatsprinzipien der Bundesrepublik: Demokratie, Sozialstaat, Bundesstaat und Rechtsstaat. Das Widerstandsrecht, das heute in Art. 20 Abs. 4 GG normiert ist, fand sich zu jener Zeit aber noch nicht in der Verfassung.

Dabei hatte der Parlamentarische Rat ausführlich über die Einführung eines Widerstandsrechts gegen verbrecherisches Regierungshandeln beraten. Besonders der nationalkonservative Abgeordnete Hans-Christoph Seebohm von der Deutschen Partei (DP, später wechselte er zur CDU und wurde langjähriger Bundesverkehrsminister) forderte vehement, eine Widerstandsregelung in das Grundgesetz aufzunehmen:

„Bei Verfassungsbruch sowie rechts- und sittenwidrigem Mißbrauch der Staatsgewalt wird ein Widerstandsrecht anerkannt. Öffentliche Amtsträger sind in diesen Fällen zum Widerstand verpflichtet.“

Dieses Ansinnen scheiterte ausgerechnet an der SPD, deren einflussreicher Abgeordneter Carlo Schmid darin eine „Aufforderung zum Landfriedensbruch“ zu entdecken vermochte. In einigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und der Fachgerichte aus den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik betonte die Judikative allerdings, dass ein solches Widerstandsrecht der Rechtsordnung inzwischen nicht mehr fremd sei.

Damit hätte es sein Bewenden haben können. Doch im Jahre 1968 verabschiedete der Deutsche Bundestag vor dem Eindruck des sich verschärfenden Ost-West-Konflikts sowie zunehmender Proteste von Studierenden und anderer Teile der Bevölkerung die Pläne für eine Notstandsverfassung. Neben der militärischen und politischen Begründung für die neuen Grundgesetz-Regelungen über den Ausnahmezustand, den Spannungsfall, den Verteidigungsfall und den Katastrophenfall trat der Wunsch der Bundesregierung, weitere Souveränität gegenüber den alliierten Mächten zu erhalten, deren Notstandsrechte erst mit dem Beschluss der Notstandsverfassung erloschen.

In der Politik und in der allgemeinen Öffentlichkeit fand diese Grundgesetzänderung ein geteiltes Echo. Während viele in ihr eine Stärkung der westdeutschen Demokratie sahen, die mit den neuen Regelungen auch für politisch und militärisch schwierige Zeiten gewappnet war, befürchteten andere Zustände wie am Ende der Weimarer Republik, in der immer kürzer amtierende Regierungen nur noch mittels Notverordnungen regieren konnten – was am Ende geradewegs in die nationalsozialistische Diktatur führte.

Zur Beruhigung der Kritik entschied sich die parlamentarische Mehrheit daher im Juni 1968 und damit rund einen Monat nach Verabschiedung der Notstandsgesetze dazu, auch das Widerstandsrecht in das Grundgesetz aufzunehmen. Damit sollte einerseits Misstrauen in der Bevölkerung gegen einen zu autoritär auftretenden Staat abgebaut und andererseits klar gestellt werden, dass der Schutz des demokratischen Rechtsstaats nicht allein der öffentlichen Gewalt obliegt, sondern zugleich Aufgabe jeder  Staatsbürgerin und jedes Staatsbürgers ist. Denn der neue Art. 20 Abs. 4 GG ist zwar als ultima ratio für die akute, schwerste Bedrohung bzw. den Fall des demokratischen Rechtsstaats ausgestaltet, kann aber zugleich als „Jedermannsrecht“ von jeder und jedem Einzelnen unabhängig von Stellung, Beruf oder Amtsträgereigenschaft in Anspruch genommen werden.

Zugleich beendete die Verabschiedung des Art. 20 Abs. 4 GG auch eine jahrzehntelange Debatte über die Frage, ob die Widerstandstaten gegen das verbrecherische Regime der Nationalsozialisten gerechtfertigt gewesen seien. Denn das Hitler-Regime hatte sich seit der Machtergreifung im Jahre 1933 stets mit dem Schein der Legalität ummantelt und versucht, auch nur die Vermutung eines revolutionären Umbruchs zu widerlegen. Die Gesetze des Kaiserreichs und der Weimarer Republik galten formal weiter, und der nationalsozialistische Gesetzgeber begnügte sich mit „Korrekturen“: Erst strich er Juden und andere Gegner aus dem Kreise der „Volks-“ , dann aus dem der „Rechtsgenossen“, und nach dem sozialen Tod folgte die physische Vernichtung. Der Reichstag wurde erst angezündet, dann komplett ausgeschaltet. Nationalsozialistische „Rechtswahrer“ wie der zwar intellektuell brillante, aber moralisch völlig verkommene Rechtsprofessor Carl Schmitt legitimierten nicht nur jedes materielle Unrecht. Sie erklärten auch die Einhaltung formeller Rechtsvorschriften für obsolet, indem sie den Führerbefehl oder auch nur einen (im schlimmsten Fall fiktiven) Führerwillen als gleichwertig mit dem Gesetz oder ihm sogar übergeordnet sahen.

Dennoch waren viele Deutsche in der jungen Bundesrepublik der Ansicht, dass der Widerstand gegen den Nationalsozialismus, wie sie beispielsweise viele Kommunisten und Sozialdemokraten, die Mitglieder der Weißen Rose oder des Kreisauer Kreises geleistet hatten, unrechtmäßig gewesen sei. Noch bis in die 1970er Jahre galten Angehörige des Widerstandes als Vaterlandsverräter, zumal während des Krieges – heute sieht sie die große Mehrheit der Bevölkerung als Helden an. Der Rechtslehrer Gustav Radbruch, der als erster deutscher Professor am 8. Mai 1933 aus dem Staatsdienst entlassen worden war, verfasste kurz nach dem Krieg noch unter dem Eindruck der NS-Staatstätigkeit seine Lehre vom gesetzlichen Unrecht, das dem überpositiven, gerechten Recht weichen müsse. Mit der Kodifizierung des Widerstandsrechts in Art. 20 Abs. 4 GG  hat sich diese Lehre endgültig durchgesetzt. Im Juni 1968 hat der Deutsche Bundestag letztlich auch ein Zeichen dafür gesetzt, dass der Widerstand gegen das verbrecherische Hitler-Regime gerecht und gut war.

Neben dieser historischen Komponente ist das Widerstandsrecht des Art. 20 Abs. 4 GG auch eine geltende Verfassungsnorm, die nur derzeit (glücklicherweise) keinen Anwendungsbereich besitzt und hoffentlich niemals einen besitzen wird. Wie der Tatbestand des Widerstandsrecht heute ausgestaltet ist, wann er eingreift, was er erlaubt und wo seine tatsächlichen und rechtlichen Grenzen liegen, davon soll im folgenden Blogbeitrag dieser Serie die Rede sein.

Das Kreuz mit dem Islam

Hans Michael Heinig ist Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Kirchenrecht und Staatskirchenrecht an der Universität Göttingen sowie Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland. Er hat soeben den lesenswerten Band Säkularer Staat – viele Religionen. Religionspolitische Herausforderungen der Gegenwart vorgelegt.

Heinig versammelt in diesem Buch 15 kurze Aufsätze zu religionspolitischen und religionsrechtlichen Themen, die teilweise zuvor schon in der Zeit, der F.A.Z. oder in der evangelischen Monatszeitschrift Zeitzeichen erschienen sind und die er für diesen Band überarbeitet und erweitert hat. Der Autor wendet sich an eine allgemeine Leserschaft und erklärt kurz, aber stets präzise die Grundzüge des geltenden Verfassungsrechts. Er referiert dabei auch die unterschiedlichen Ansichten zu religionsverfassungsrechtlichen Streitfragen. Erfreulich ist, dass ihn die Perspektive des Staatsrechtslehrers nicht daran hindert, zu vielen der in der Öffentlichkeit kontrovers diskutierten Fragen eine klare und stets reflektierte Position zu beziehen. Heinig stellt sich damit in die löbliche Tradition akademischer Lehrer des angloamerikanischen Sprachraums, die ihr Fachgebiet nicht nur durch wissenschaftliche Fachpublikationen bereichern, sondern es regelmäßig in verständlicher Sprache auch einem allgemeinen Publikum nahebringen.

Lohnende Lektüre: Hans Michael Heinigs Buch zu religionsverfassungsrechtlichen Streitfragen

Schon im ersten Kapitel, das die weltanschauliche Neutralität des Staates zum Thema hat, geht Heinig in medias res: Die religionspolitischen Festlegungen des Grundgesetzes und der weitergeltenden Normen der Weimarer Reichsverfassung erklärt er aus den historischen Erfahrungen seit den Religionskriegen der frühen Neuzeit heraus über den Kulturkampf, den Bruch mit der Staatskirche durch die Revolution im Jahre 1919 bis hin zum Kirchenkampf. Er verortet sie zwischen den Regelungen der amerikanischen Bundesverfassung, die die Religionsgemeinschaften vor dem Zugriff des Staates schützt, und dem französischen Modell des Laizismus, das die spezifischen Erfahrungen mit der katholischen Kirche als Hort der Restauration gegen die in der Revolution von 1789 erkämpften Grund- und Menschenrechte zur Grundlage hat. Auch die Einflüsse des philosophischen Liberalismus, etwa durch John Rawls und Jürgen Habermas, zeigt Heinig an verschiedenen Stellen seines Werkes auf.

Kritisch geht Heinig mit überkommenen Paradigmen des Staatskirchenrechts um, etwa dem vielzitierten Böckenförde-Theorem, demzufolge der freiheitliche, säkulare Staat von Voraussetzungen lebe, die er selbst nicht garantieren könne. Heinig weist zutreffend darauf hin, dass Ernst-Wolfgang Böckenförde diesen in den 1960er Jahren formulierten Satz unter dem Eindruck einer nicht mehr gegebenen religiösen Homogenität und einem nicht immer zwingend positiven Verhältnis der Religionen zum freiheitlichen Staat in späteren Schriften selbst relativiert habe. An vielen Stellen des Buches wird deutlich, dass Heinig stärker auf die Spielregeln der pluralistischen Demokratie mit ihren friedensstiftenden Diskurs- und Verhandlungsverfahren vertraut als auf die unbedingte Zustimmung der Religionsgemeinschaften und ihrer Gläubigen zum säkularen Verfassungsstaat. Er wünscht sich allerdings, dass wie im niederländischen Modell eines „Rats der Religionen“ auch in Deutschland neben den beiden christlichen Großkirchen stärker auf die Perspektiven jüdischer, islamischer, christlich-orthodoxer und freikirchlicher Religionsvertreter eingegangen werde.

Dabei würdigt Heinig die Rolle der Religionen in der modernen deutschen Gesellschaft durchaus kritisch: Tendenzen zu Gewalt und Unfreiheit erkennt und benennt er – nicht nur im Islam, sondern auch in anderen religiösen Gemeinschaften. Anders als die AfD, mit deren religionspolitischem Programm sich Heinig in einem eigenen Kapitel beschäftigt („Auf aberwitzig grobe Verallgemeinerungen folgen unterkomplexe Differenzierungen“, S. 61; „Rechtskulturelle Standards, die der Sicherung des religiös-weltanschaulichen Friedens dienen, werden [von der AfD] systematisch unterlaufen“, S. 62), sieht Heinig genug geeignete Werkzeuge des geltenden Rechts, um mit religiösen Extremisten fertig zu werden. Der Umgang mit dem radikalen Islam ergibt sich laut Heinig aus dem Grundgesetz, das es zum Beispiel erlaube, fundamentalistischen Gruppierungen die Nutzung von Gebetsräumen an Universitäten zu untersagen. Ein Islamgesetz nach österreichischem Vorbild verwirft er dagegen und erläutert nachvollziehbar, warum die österreichischen Regelungen in Deutschland grundgesetzwidrig wären.

Erhellend ist, dass Heinig nicht nur mehrfach das Problem der inneren Verfasstheit islamischer Gemeinden und „Konfessionen“ hervorhebt, zum Beispiel angesichts der Frage der richtigen Ansprechpartner für den Abschluss von Staatsverträgen, der Organisation des Religionsunterrichtes oder der Einrichtung islamisch-theologischer Studiengänge. Gleichzeitig liegt nämlich ein weiterer Schwerpunkt der Darstellung auf der Entwicklung des Staatsverständnisses der evangelischen Kirchen seit der Weimarer Republik. Hier lernt der Leser, dass auch protestantische Theologen mit den neuen, demokratischen Verfassungen der Jahre 1919 und 1949 durchaus und über Jahrzehnte Schwierigkeiten hatten: Die Akzeptanz des freiheitlich-demokratischen Staates ist auch vielen Christen, selbst akademischen Lehrern der protestantischen Theologie, zunächst nicht leicht gefallen.

An dieser Stelle hätte sich der Rezensent eines oder besser noch mehrere Kapitel über die Perspektive der katholischen Kirche auf das Religionsverfassungsrecht gewünscht, die von Heinig nur in einem kurzen Nebensatz als vergleichsweise unproblematisch bewertet wird. Gerade im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Gleichberechtigung von Mann und Frau und deren Drittwirkung auf die Religionsgemeinschaften wären hier weitergehende Erläuterungen erhellend gewesen.

Lesenswert sind weiterhin die Bewertungen Heinigs zum arbeitsrechtlichen Dritten Weg, wenngleich die Schlussfolgerung, dass wenn dieser entfiele, die Ökonomisierung von Caritas und Diakonie sich weiter verschärfen würde, dem Rezensenten nicht zwingend zu sein scheint. Das als Polemik überschriebene Kapitel zu den Evangelischen Kirchentagen enthält scharfsinnige, aber auch schmerzhafte Beobachtungen zum Stand der Laienrepräsentation innerhalb der evangelischen Kirche – wer möchte sich schon gerne in einer Reihe „protestantischer Wutbürger“ sehen, organisiert von Vertretern „fortdauernde[r] Clanstrukturen“ (gemeint sind die familiären Kontinuitäten der Personen, die die Organisation der Kirchentage verantworten) ? Immerhin gesteht der Autor dem Evangelischen Kirchentag eine Entwicklungsmöglichkeit zu einer „gesellschaftliche[n] und theologische[n] Lernwerkstatt“ zu.

Auch für die Zukunft sieht Heinig weitere religionspolitische Streitfragen voraus: Wie werden wir es mit akademisch gebildeten Muslimas halten, die als Zeichen ihrer kulturellen Identität auch im Staatsdienst als Lehrerinnen oder Richterinnen ein Kopftuch tragen wollen? Wird es in Zukunft islamische Feiertage geben, sollten konfessionelle Feiertage künftig im Rahmen eines Rotationssystems jährlich wechseln, oder wäre es besser, als Teil der deutschen Identitätspolitik das Ende des 2. Weltkriegs, den Mauerfall oder den Tag des Grundgesetzes zu feiern? Und was passiert, falls die AfD jemals in Regierungsverantwortung kommen, sich dann aber nicht an das Religionsverfassungsrecht halten sollte?

All diese Fragen diskutiert Heinig an, eröffnet Perspektiven und lädt zum eigenen Nachdenken ein. Es bleibt zu hoffen, dass dem mit knapp 140 Seiten relativ schmalen Band noch viele weitere folgen werden.

Hans Michael Heinig: Säkularer Staat – viele Religionen. Religionspolitische Herausforderungen der Gegenwart, erschienen im Kreuz-Verlag, Stuttgart, 14 Euro.