Monat: März 2021

„Irgendwas hat jeder, und das ist vollkommen okay.“

TRIGGERWARNUNG: In diesem Beitrag geht es um die Erkrankung an einer Depression! Haben Sie Suizidgedanken? Unter 0800-1110111 erreichen Sie die Telefonseelsorge. Sie können auch den Rettungsdienst unter 112 oder eine psychiatrische Einrichtung in Ihrer Nähe kontaktieren. Sie finden auch bei Frans-hilft.de weitere Informationen.

 

Von außen betrachtet führt der Rechtsanwalt, Blogger und Twitterer Byung Jin Park alias @herrpandabaer ein erfolgreiches und glückliches Leben. Als Kind koreanischer Eltern, die aus beruflichen Gründen von Seoul nach Südhessen umzogen, erlebt er zwar zunächst einen Kulturschock. Doch er gewöhnt sich schnell ein und erlernt die deutsche Sprache. Dann absolviert er erfolgreich das Gymnasium, bekommt Klavierunterricht, treibt Sport und wird zunächst Jurastudent und dann Rechtsanwalt. Er verliebt sich, heiratet und wird bald Vater einer kleinen Tochter. In einer Wirtschaftsrechtskanzlei gewinnt er das Vertrauen seiner Mandanten und gilt schnell als zuweilen „giftiger“, aber auch zupackender und erfolgreicher Rechtsanwalt.

Das alles klingt nach einem glücklichen und gelingenden Leben – jedoch nur nach außen. Innerlich fühlt sich Park schon lange leer und verzweifelt. Darüber hat er mit „Ins Leere gelaufen“ ein autobiographisches und schonungslos ehrliches Buch geschrieben, das soeben im Münchner mvg Verlag erschienen ist.

Park beschreibt, wie die Beziehung zu seiner Ehefrau in die Brüche geht, seine körperliche Konstitution immer schwächer und sein Körpergewicht immer höher wird, dass er nachts keinen Schlaf findet und ihm das Aufstehen immer schwerer fällt. Seine Krankheitstage häufen sich, selbst einfache Arbeiten wie das Öffnen der täglichen Post kosten ihn immer mehr Kraft. Manchmal kommt er überhaupt nicht mehr aus dem Bett, aber je matter sein Körper ist, desto stärker arbeitet sein Geist gegen ihn – mit Ängsten, Selbstvorwürfen, Albträumen und Panikattacken.

Beruflich kann Park das Schlimmste abwenden: Er wechselt zwar mehrfach die Stelle, verdient aber immer genug, um sich und seine Familie über Wasser zu halten. Privat verliert er jedoch fast alles: Den Kontakt zu Eltern und Schwester hatte er schon vor Jahren abgebrochen, nun geht seine Ehe in die Brüche. Park muss aus seinem Haus ausziehen und kommt, nur mit einer Sporttasche und zwei Anzügen als Gepäck, in einer WG unter.

Park hat in dieser Situation allerdings mehrfach Glück: Eine Therapeutin, die er eigentlich wegen der Beziehungsprobleme mit seiner Ehefrau aufsucht, konfrontiert ihn mit einer überraschenden Diagnose – Depression. Park reagiert zunächst abwehrend, spürt aber schnell, dass die Diagnose stimmen könnte. Auf Twitter lernt er eine junge Frau kennen, die ihm zunächst Trost spendet und die dann erst zu seiner Freundin und dann zu seiner Lebenspartnerin wird. Sie und ihr Umfeld bringen Park dazu, die Notwendigkeit einer Therapie einzusehen. Eine psychiatrische Privatklinik am Chiemsee hat schnell einen Platz für ihn.

In dieser Klinik am Chiemsee spielt der Hauptteil des Buches: Der gequälte Rechtsanwalt beginnt mit einem intensiven Therapie- und Trainingsprogramm. Durch körperliche Anstrengungen werden sein Körper wieder fitter und sein Geist klarer. An einem Tag zu Beginn der Therapie erkennt der Autor erleichtert:

„Irgendwas hat jeder, und das ist vollkommen okay.“

Die Beschäftigung mit seiner Umwelt, mit Musik, Tanz, Sport und seinen Mitpatienten sowie die therapeutischen Gespräche führen bei Park binnen kurzer Zeit zu einem Perspektivwechsel: Er sieht nicht mehr nur seine Defizite, sondern lässt die Erkenntnis zu, dass er ein beruflich und privat durchaus erfolgreicher Mensch ist, der stolz auf sich sein und seine eigenen Fehler verzeihen darf. Es gelingt ihm, seine negativen Gefühle wie z.B. seine Wut zu erkennen und ihnen einen Platz in seinem Denken zuzuweisen, ohne sich von ihnen überwältigen zu lassen. Dabei findet Park während seines Heilungsprozesses immer wieder gelungene sprachliche Bilder, die den nicht-depressiven Leserinnen und Lesern einen gewissen Einblick in die Mechanismen der Erkrankung geben.

Die Lektüre des Buches ist trotz des bedrückenden Themas ein Vergnügen. An keiner Stelle wirkt der Autor weinerlich oder anklagend und geht allenfalls mit sich selbst ab und an etwas zu hart ins Gericht. An manchen Stellen blitzt ein messerscharfer Verstand auf, und trotz vieler schmerzvoller Schilderungen gibt es immer wieder humorvolle Stellen. Wenn Park über die Beziehung zu seiner kleinen Tochter reflektiert oder das Erleben von Deutschen mit Migrationshintergrund beleuchtet, erfährt der Leser die tiefe Humanität und Menschenfreundlichkeit des Autors. Es ist kein Wunder, dass es Park gelungen ist, auf Twitter und im richtigen Leben trotz seiner Depression vielfache Freundschaften zu schließen und zu bewahren – mit einem solchen Menschen möchte man einfach befreundet sein.

Am Ende des Buches beschreibt Park, dass er seine Krankheit wie die meisten Menschen, die an Depressionen leiden, nicht vollständig überwunden hat. Es ist ihm aber gelungen, Routinen zu entwickeln, um nicht mehr in die dunkle Leere zu laufen. Dazu gehören sportliche Aktivitäten, aber auch der wiedergefundene Kontakt zu seinen Eltern sowie die Veränderung seiner Arbeitsumstände als Rechtsberater. Dass Park trotz seiner Erkrankung ein Hochleister ist, zeigt sein Rekord-Klinikprogramm – er bucht quasi alle verfügbaren Kurse, macht Zusatz-Sporttrainings, veranstaltet schon nach kurzer Zeit Musikabende für seine Mitpatienten, schreibt Dankesbriefe an einen Großteil des Personals und dann auch noch ein Buch über seine Erfahrungen.

Der Autor weist am Schluss selbst darauf hin, dass er nur von einer leichten Form der Depression betroffen ist. Da das Buch rein autobiographisch ist, gewinnt der Leser auch keinen Einblick in stationäre Psychotherapien in öffentlichen Krankenhäusern, medikamentöse Therapien, schwerere Verlaufsformen und die leider häufige Suizidproblematik bei Depressionen. Das macht die Lektüre aber nicht weniger wertvoll. Park geht es nämlich auch darum, für einen offenen und nicht stigmatisierenden Umgang mit der Depression zu werben. Die Seele kann genauso erkranken wie der Körper, und eine psychische Krankheit macht ihn nicht zu einem schlechteren Rechtsanwalt, Vater oder Menschen. Es ist daher zu wünschen, dass diesem rundum empfehlenswerten Buch viele Leserinnen und Leser beschieden sein mögen.

Byung Jin Park: Ins Leere gelaufen. Wie ich meine Depression überwand und mich selbst neu kennenlernte, mvg Verlag München , 239 Seiten, 14,99 €

Wieder mal Fanpost

Eigentlich sollte auf diesem Blog heute die Rezension eines frisch erschienen Buches zur politischen und staatsrechtlichen Situation in der Corona-Krise erscheinen – aber die muss leider noch ein paar Tage warten. Ich bin nämlich wieder einmal in einen veritablen Shitstorm des rechten Randes geraten, weil ich es gewagt habe auszusprechen, dass sich Polizisten nicht von einem wütenden rechten Mob zusammenschlagen lassen müssen, wenn sie auf einer verbotenen Demonstration ihren Dienst tun. An dieser Stelle übrigens gute Besserung an die zwölf verletzten Beamten!

Wie es mit diesen Shitstorms so ist, gerät der (häufig intellektuell nicht auf besonderer Flughöhe befindliche) Mob ziemlich schnell in Empörung, und dann haut er in die Tasten. Zumeist geschieht das zunächst direkt auf Twitter, dann schwappt die Empörung auf Facebook über, und an guten Tagen verschwenden sogar ausgeflippte YouTuber mit zuviel Tagesfreizeit ihre Energie mit meiner Person. Mir soll es recht sein – eine bessere Werbung als die Empörung angebräunter Illiterati gibt es nicht.

Einigen Zeitgenossen gefällt es auch, mir Direktnachrichten und E-Mails zu schreiben. Ein besonders schönes Exemplar hat mich heute Abend vom Info-Account des Gasthofs „Zum Rassen“ in Garmisch-Partenkirchen erreicht. Ausweislich der Google-Rezensionen werden dort die Gäste schon einmal beschimpft, sie würden „zuviel ARD und ZDF schauen“, wenn sie sich darüber beschweren, dass das Personal den Mund-Nasenschutz nachlässig trägt. Schulen wollen im Gasthof „Zum Rassen“ ihre Feiern nicht mehr abhalten, weil die rechtsextreme AfD dort regelmäßig ihre Versammlungen abhält und der Wirt das ganz normal findet. Eben dieser Wirt hat mir heute geschrieben, dass Parasiten (und damit meint er mich) vernichtet gehören. Immerhin im schönsten Latein, aber nicht weniger unfreundlich. Ich kannte den Gasthof „Zum Rassen“ bis heute nicht, empfehle aber unbedingt, dort einmal bei Gelegenheit hinzugehen und dem Wirt zu sagen, was man von derlei Verhalten hält.  Man muss ja weder etwas konsumieren noch dort nächtigen. Alternativ kann man einen Kommentar auf einem der vielen Bewertungsportale abgeben – auf HolidayCheck schmückt sich der Gasthof „Zum Rassen“ zum Beispiel derzeit bereits mit stolzen 2,7 von 6 Sternen.

Ein weiterer freundlicher Zeitgenosse ist Herr Axel Purschke, der mir unter seiner E-Mail-Adresse schokokuss@freenet.de heute die folgenden Zeilen zukommen ließ (man beachte einige interessante Schreibweisen, alle im Original):

 

Von: schokokuss@freenet.de
Datum: 14.03.2021 15:56
Betreff: Hetze gegen Andersdenkende –

Lieber Herr Säfken!

Wie bitte,die CDU ist Rechts??? Die CDU ist dank der Stasimerkel zu einer Linken Dreckspartei verkommen!!! Als konservativer Wähler wähle ich nur noch AfD!

Was hat denn die durchgeknallte Merkel gemacht??? Das Land seit 2015 mit Kuffnucken aus aller Herren Länder geflutet, die uns mächtig auf der Tasche liegen und ganze Städte verkommen lässt!!!

In Österreich hassen die Bürger Frau Merkel,denn auch Österreich hat unter der Masseneinwanderung zzu leiden!

Dann fordern Sie noch das die Polizei gegen Andersdenkende Coronademonstranten die Schusswaffen einsetzt???

Spinnen Sie??? Pfui deibel,schämen Sie sich!!!

Ich hoffe das Ihr Volksverräter eines Tages zur Rechenschaft gezogen werdet!

Würden Sie jetzt vor mir stehen würde ich sie kräftig Ohrfeigen!

Der gute Franz Joset Strauss hätte so charakterlos verkommene Subjekte wie Sie zum Teufel gejagd!

Alex Purschke

 

Es ist immer wieder erhellend, den rechten Rand dieses Landes in Aktion zu erleben. Da ich dafür nur begrenzt Zeit und Nerven habe, werde ich mich gegenüber diesen herausragenden Menschen in Zukunft wieder stärker abschotten. Die Einsicht in den alltäglichen Rassismus, die Brutalität und Abgestumpftheit dieser Zeitgenossen bestärkt mich allerdings darin, auch weiter gegen Schwurbelei und Rechtsextremismus aktiv zu bleiben. Das gebietet schon die staatsbürgerliche Verantwortung.