Während meiner Kindheit an der deutschen Nordseeküste war die Sache ganz klar: An Heiligabend kommt der Weihnachtsmann mit seinem roten Mantel und einem großen Sack und beschenkt die Kinder. Natürlich hatte er auch eine Rute dabei, um die bösen Kinder zu bestrafen. Bisweilen übernahm das allerdings auch sein jutesackbraun gekleideter Gefährte Knecht Ruprecht.
Schon als Kind hörte ich davon, dass in anderen Gegenden nicht der Weihnachtsmann, sondern das Christkind die Kinder beschenkt. Aber was sollte das eigentlich sein, dieses ominöse Christkind? Wohl eine katholische Konkurrenz zum evangelischen Weihnachtsmann. Diese war aber wohl nicht ganz bibelfest, denn das Jesuskind lag in der Krippe und war bis Ostern erwachsen geworden, gekreuzigt und wiederauferstanden. Das Christkind konnte also nicht identisch mit Jesus Christus sein.
Erst als Erwachsener hörte ich von Angriffen auf den Weihnachtsmann. Vielleicht kennen die Kritiker des Weihnachtsmanns die christliche Entstehungsgeschichte des niederländischen Sinterklaas und späteren angelsächsischen Santa Claus nach dem Vorbild des heiligen Nikolaus von Myra nicht. Auch wird das bischöfliche Purpur des Mantels des Weihnachtsmannes, das auf die Gewänder der altrömischen Oberschicht zurückgeht, oft unzutreffend mit dem profanen Rot der Limonadenmarke Coca-Cola verwechselt. Das Unternehmen wirbt schließlich gerne mit dem Weihnachtsmann.
Gelernt habe ich als Erwachsener auch, dass das Christkind einst eine ebenfalls protestantische Erfindung war. Als kindlich-engelartige Allegorie des Weihnachtsfestes fand es allerdings vor allem in katholischen Gegenden schnell Anklang. Auch das Christkind bringt die Weihnachtsgeschenke mit, benötigt anders als der Weihnachtsmann dafür aber keinen großen Sack und klettert auch nicht auf Hausdächer und durch Schornsteine.
Wer ist nun vorzugswürdiger – das Christkind oder der Weihnachtsmann? Meine Antwort darauf fällt ganz eindeutig aus: Weihnachten ist, aus vielen Gründen, das schönste Fest des Jahres. In einer Welt voller Machtstreben, Krieg, Profitgier und Katastrophen braucht es nicht weniger, sondern mehr Weihnachten – und mit dem Fest den Weihnachtsmann und das Christkind. Beide Traditionen haben ihren Platz, weil sie uns (trotz der heutigen Überbetonung des Schenkens) daran erinnern, dass im Leben noch mehr zählt als Gewinnstreben, Erfolg im Job und materieller Besitz.
Die Christen glauben daran, dass an Weihnachten Gott als verletzlicher Mensch in die Welt gekommen ist, um die Menschheit zu erlösen. Daran kann oder will nicht jede*r glauben. Es lohnt sich aber gerade in der Weihnachtszeit, darüber zu reflektieren, was im Leben wichtig und sinnvoll ist und wie wir die Zeit gestalten wollen, die uns gegeben ist. Und sich über die schönen Dinge des Lebens zu freuen. Ich wünsche Ihnen und Euch ein frohes Weihnachtsfest – ganz gleich, wer zuhause die Geschenke bringt!