Kategorie: Persönliches

Weihnachtsmann und Christkind

Während meiner Kindheit an der deutschen Nordseeküste war die Sache ganz klar: An Heiligabend kommt der Weihnachtsmann mit seinem roten Mantel und einem großen Sack und beschenkt die Kinder. Natürlich hatte er auch eine Rute dabei, um die bösen Kinder zu bestrafen. Bisweilen übernahm das allerdings auch sein jutesackbraun gekleideter Gefährte Knecht Ruprecht.

Schon als Kind hörte ich davon, dass in anderen Gegenden nicht der Weihnachtsmann, sondern das Christkind die Kinder beschenkt. Aber was sollte das eigentlich sein, dieses ominöse Christkind? Wohl eine katholische Konkurrenz zum evangelischen Weihnachtsmann. Diese war aber wohl nicht ganz bibelfest, denn das Jesuskind lag in der Krippe und war bis Ostern erwachsen geworden, gekreuzigt und wiederauferstanden. Das Christkind konnte also nicht identisch mit Jesus Christus sein.

Erst als Erwachsener hörte ich von Angriffen auf den Weihnachtsmann. Vielleicht kennen die Kritiker des Weihnachtsmanns die christliche Entstehungsgeschichte des niederländischen Sinterklaas und späteren angelsächsischen Santa Claus nach dem Vorbild des heiligen Nikolaus von Myra nicht. Auch wird das bischöfliche Purpur des Mantels des Weihnachtsmannes, das auf die Gewänder der altrömischen Oberschicht zurückgeht, oft unzutreffend mit dem profanen Rot der Limonadenmarke Coca-Cola verwechselt. Das Unternehmen wirbt schließlich gerne mit dem Weihnachtsmann.

Gelernt habe ich als Erwachsener auch, dass das Christkind einst eine ebenfalls protestantische Erfindung war. Als kindlich-engelartige Allegorie des Weihnachtsfestes fand es allerdings vor allem in katholischen Gegenden schnell Anklang. Auch das Christkind bringt die Weihnachtsgeschenke mit, benötigt anders als der Weihnachtsmann dafür aber keinen großen Sack und klettert auch nicht auf Hausdächer und durch Schornsteine.

Wer ist nun vorzugswürdiger – das Christkind oder der Weihnachtsmann? Meine Antwort darauf fällt ganz eindeutig aus: Weihnachten ist, aus vielen Gründen, das schönste Fest des Jahres. In einer Welt voller Machtstreben, Krieg, Profitgier und Katastrophen braucht es nicht weniger, sondern mehr Weihnachten – und mit dem Fest den Weihnachtsmann und das Christkind. Beide Traditionen haben ihren Platz, weil sie uns (trotz der heutigen Überbetonung des Schenkens) daran erinnern, dass im Leben noch mehr zählt als Gewinnstreben, Erfolg im Job und materieller Besitz.

Die Christen glauben daran, dass an Weihnachten Gott als verletzlicher Mensch in die Welt gekommen ist, um die Menschheit zu erlösen. Daran kann oder will nicht jede*r glauben. Es lohnt sich aber gerade in der Weihnachtszeit, darüber zu reflektieren, was im Leben wichtig und sinnvoll ist und wie wir die Zeit gestalten wollen, die uns gegeben ist. Und sich über die schönen Dinge des Lebens zu freuen. Ich wünsche Ihnen und Euch ein frohes Weihnachtsfest – ganz gleich, wer zuhause die Geschenke bringt!

Kafka und das Gesundheitsamt

Der folgende Text ist ein Gastbeitrag einer Lehrerin aus Süddeutschland, die anonym bleiben möchte. Sie ist an Corona erkrankt und schildert ihre Erfahrungen mit der Gesundheitsbürokratie.

Ich bin krank. Nach zwei positiven Selbsttests kann ich wohl davon ausgehen, dass ich mir irgendwo Covid geschnappt habe. Auch wenn sich das für manche scheinheilig anhört: Ich weiß nicht, wo ich mir das gefangen haben könnte. In der Schule testen wir regelmäßig und da war niemand positiv.

Privat habe ich niemanden getroffen – abgesehen von meinen arg pflegebedürftigen Eltern. Ich war nur Lebensmittel einkaufen mit FFP2, wie es sich gehört. Ich versuche beim Einkauf auch immer die publikumsintensiven Zeiten zu meiden, was mir einen gewissen Abstand zu anderen Menschen erst ermöglicht.

Mir geht es den Umständen entsprechend recht gut. Ich bin zwar schlapp und kränklich, bislang habe ich aber nicht das Gefühl, als könnte das noch lebensbedrohliche Züge annehmen. Womöglich liegt das auch an der ersten Impfdosis, die ich bereits intus habe. Außerdem habe ich kein Problem mit der Isolation, da ich sowieso allein lebe.

Es begann am Mittwoch. Morgens wurde ich zusammen mit den Kindern noch negativ getestet. Mittags bin ich zu meinen Eltern gefahren. Im Laufe des Nachmittags entwickelte ich leichte Erkältungssymptome. Ich dachte mir wenig dabei, hatte ich doch vom Morgen noch den negativen Test. Trotzdem habe ich mich vorsichtshalber mal isoliert (ich bin also schlicht nachhause gefahren). Abgesehen von der einen Stunde am Mittwoch habe ich keinen Präsenzunterricht, da fällt die Selbstisolation leicht.

Am Freitag habe ich erneut einen Selbsttest gemacht, am Samstag nochmal wiederholt und der T-Strich nahm an Deutlichkeit zu. Bislang fehlt der Geschichte noch die echte Dramatik… kommt jetzt:

Meine Eltern sind beide Ü80 und daher in Prio 1. Das hat meinen Vater aber nicht davon abgehalten, zu bocken und die Impfung abzulehnen. Mein Sohn – der zwischenzeitlich gerichtlich bestellter Betreuer meines Vater ist – hat angefragt, ob mein Vater nicht im Klinikum geimpft werden könne. Nebenbei wäre es tatsächlich sehr schwierig gewesen, meinen immobilen Vater ins Impfzentrum zu wuchten. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen können stationär aufgenommene Patienten nicht geimpft werden. Personal ja – Hausärzte dürfen auch impfen… mein Vater war also ungeimpft. Es kam also, wie es kommen musste: Ich habe ihn angesteckt. Gestern hatte er einen positiven Selbsttest. Offenbar war er noch symptomfrei, aber meine Hauptsorge gilt momentan bestimmt nicht meiner eigenen Gesundheit.

Was ich damit zum Ausdruck bringen will: Es ist ein Märchen, dass man sich genügend selbst schützen kann, solange man die gängigen AHA-Regeln einhält. Das Virus passt sich durch seine Mutanten den Umständen wesentlich schneller und effektiver an, als wir mit Desinfektionslösung kontern können. Warum kann man keine stationären Patienten impfen? Und um endlich auf den Punkt zu kommen: Da ich am Freitag erst gegen 18 Uhr positiv getestet wurde, war auch das Faxgerät des Gesundheitsamts schon im Wochenende.

Das Wort kafkaesk konnte ich noch nie leiden. Wenn es jemand verwendet, dann denke ich heimlich: „Ja, du Wichtigtuer, wir wissen jetzt, dass du Abitur hast. Komm endlich auf den Punkt!“ Was ich heute erlebt habe, kann ich aber wirklich nur mit kafkaesk umschreiben. Nach vielen Telefonaten habe ich extrem widersprüchliche Informationen und Anweisungen erhalten. Der genaue Ablauf spielt nur eine untergeordnete Rolle. Ich erzähle einfach in Stichpunkten.

  • Das Gesundheitsamt fordert einen PCR-Test zur Bestätigung der vorläufigen Selbstdiagnose.
  • Der Hausarzt testet nicht.
  • Am Stadion ist die einzige PCR-Teststation der Stadt, die testen aber keine Menschen mit Symptomen.
  • Das Gesundheitsamt meint, der ärztliche Notdienst sei zuständig.
  • Der ärztliche Notdienst meint, das Gesundheitsamt sei zuständig… oder vielleicht auch die Kassenärztliche Vereinigung.
  • Die Kassenärztliche Vereinigung meint, ich sei selbst zuständig
  • Ich: WTF?
  • Gesundheitsamt: Fahren Sie doch mit einem Spezialtaxi zu irgendeiner Praxis.
  • Taxiunternehmen: Ja, das kostet aber extra. Lassen Sie sich einen Krankentransportschein vom Hausarzt ausstellen.

Es ist 12:09 Uhr. In der Hausarztpraxis erreiche ich keinen mehr.

  • Neue Information vom Gesundheitsamt über meine Chefin: Mit dem Taxi fährst du überhaupt nirgendwo hin. Da muss jemand zum Testen zu dir kommen. Die erste gute Nachricht heute.
  • Eigentlich ist mir der PCR-Test völlig wumpe. Ich weiß ja, dass ich krank bin. Darf ich bitte wieder ins Bett?
  • Schicksal: nö!
  • Chefin: Wir brauchen den PCR-Test, weil wir sonst die Kinder, mit denen du letzte Woche Montag und Mittwoch Kontakt hattest, nicht in Quarantäne schicken können.

Aha … und dann? Wie viele Kontakte hatten die wohl in der ganzen Woche? Wozu testen wir die alle zwei Tage?

Ich habe momentan kein Auto, kann also auch zu keiner Praxis fahren. Und selbst wenn ich ein Auto hätte, bezweifle ich, dass ich voll verkehrstüchtig bin.

  • Ärztlicher Notdienst: Sie könnten mit dem Fahrrad zur M. Straße fahren. Dort gibt es eine Praxis, die testet.
  • Ich (nur in meinem Kopf): Gute Idee! Da kann ich gleich noch beim McDonald’s ein McRib-Menü mit Fritten und Cola holen.
  • Ich (die Contenance ließ auch das in meinem Kopf): Sind Sie komplett bescheuert? Ich soll hochinfektiös durch die Gegend radeln und mich dann von dem Arzt anraunzen lassen, wie ich auf so eine dämliche Idee komme?
  • Ich (soweit reichte die Contenance dann doch nicht mehr): Da habe ich ja mal Glück gehabt, dass ich nicht operiert werden muss. Sonst müsste ich am Ende die Wundhaken noch selbst halten.

Interessant, wie man anderer Leute blöden Blick durch das Telefon zu sehen glaubt.

  • Chefin: Neuer Twist vom Gesundheitsamt. Du bekommst eine Ausnahmegenehmigung und darfst dich am Stadion testen lassen. Der Sohn bekommt auch eine Ausnahmegenehmigung, dass er dich fahren darf. Geh bitte gleich zur Online-Terminvereinbarung!
  • Online-Terminvereinbarung: Heute sind keine Termine mehr verfügbar.
  • Gesundheitsamt: Aber wir brauchen den Test noch heute. Nein, wir haben keinen Einfluss auf die Terminvergabe.

Inzwischen ist es 15:30 Uhr. Ich habe den ganzen Tag noch nichts weiter gemacht, als mich um diesen blöden PCR-Test zu bemühen, der zwar gesetzlich vorgeschrieben ist, es aber offenbar dennoch Neuland für alle Beteiligten ist.

Immerhin habe ich ganz tolle Genehmigungen. Wie war das nochmal mit diesem praktischen Arzt? In keiner der Praxen der Gemeinschaft B. geht auch nur irgendwer ans Telefon. Ich habe mich heute acht Stunden lang um den blöden PCR-Test bemüht. Für morgen 8:15 Uhr habe ich einen Termin am Stadion. Das diabolische Männchen in meinem Inneren ruft: „Du hättest ja keinem sagen müssen, dass du Symptome hast. Dann hätte es heute früh nur fünf Minuten gedauert, den Termin zu bekommen.“

Gegessen habe ich heute auch noch nichts. Gut, dass ich im Grunde meines Herzens ein friedfertiger und kooperativer Mensch bin. Aber heute stimme ich Goethe zu: Ich kann mir kein Verbrechen vorstellen, das nicht auch ich hätte begehen können! Sollte das alles nur ein Trick sein, um die Infektionszahlen gering(er) zu halten?

  • Chefin: Schöne Grüße von der Frau Gesundheitsamt. Warum hast du nicht gleich am Freitag angerufen? Ich habe ihr gesagt, das hättest du gemacht und nur noch das Ansageband erreicht. Ihr Kommentar: Ach ja, das stimmt natürlich.

Vierundzwanzig Stunden nach dem Test kam eine Rückmeldung seitens des Gesundheitsamts. Freundlicherweise haben sie direkt meine Chefin informiert – nicht etwa mich.

Hätte nicht jeder vernünftige Mensch an einem Punkt gesagt: Ich habe eine meldepflichtige Krankheit gemeldet und bin daher raus aus der Nummer. Liegt die Pandemiebekämpfung tatsächlich auf den Schultern der Patienten?

 

„Irgendwas hat jeder, und das ist vollkommen okay.“

TRIGGERWARNUNG: In diesem Beitrag geht es um die Erkrankung an einer Depression! Haben Sie Suizidgedanken? Unter 0800-1110111 erreichen Sie die Telefonseelsorge. Sie können auch den Rettungsdienst unter 112 oder eine psychiatrische Einrichtung in Ihrer Nähe kontaktieren. Sie finden auch bei Frans-hilft.de weitere Informationen.

 

Von außen betrachtet führt der Rechtsanwalt, Blogger und Twitterer Byung Jin Park alias @herrpandabaer ein erfolgreiches und glückliches Leben. Als Kind koreanischer Eltern, die aus beruflichen Gründen von Seoul nach Südhessen umzogen, erlebt er zwar zunächst einen Kulturschock. Doch er gewöhnt sich schnell ein und erlernt die deutsche Sprache. Dann absolviert er erfolgreich das Gymnasium, bekommt Klavierunterricht, treibt Sport und wird zunächst Jurastudent und dann Rechtsanwalt. Er verliebt sich, heiratet und wird bald Vater einer kleinen Tochter. In einer Wirtschaftsrechtskanzlei gewinnt er das Vertrauen seiner Mandanten und gilt schnell als zuweilen „giftiger“, aber auch zupackender und erfolgreicher Rechtsanwalt.

Das alles klingt nach einem glücklichen und gelingenden Leben – jedoch nur nach außen. Innerlich fühlt sich Park schon lange leer und verzweifelt. Darüber hat er mit „Ins Leere gelaufen“ ein autobiographisches und schonungslos ehrliches Buch geschrieben, das soeben im Münchner mvg Verlag erschienen ist.

Park beschreibt, wie die Beziehung zu seiner Ehefrau in die Brüche geht, seine körperliche Konstitution immer schwächer und sein Körpergewicht immer höher wird, dass er nachts keinen Schlaf findet und ihm das Aufstehen immer schwerer fällt. Seine Krankheitstage häufen sich, selbst einfache Arbeiten wie das Öffnen der täglichen Post kosten ihn immer mehr Kraft. Manchmal kommt er überhaupt nicht mehr aus dem Bett, aber je matter sein Körper ist, desto stärker arbeitet sein Geist gegen ihn – mit Ängsten, Selbstvorwürfen, Albträumen und Panikattacken.

Beruflich kann Park das Schlimmste abwenden: Er wechselt zwar mehrfach die Stelle, verdient aber immer genug, um sich und seine Familie über Wasser zu halten. Privat verliert er jedoch fast alles: Den Kontakt zu Eltern und Schwester hatte er schon vor Jahren abgebrochen, nun geht seine Ehe in die Brüche. Park muss aus seinem Haus ausziehen und kommt, nur mit einer Sporttasche und zwei Anzügen als Gepäck, in einer WG unter.

Park hat in dieser Situation allerdings mehrfach Glück: Eine Therapeutin, die er eigentlich wegen der Beziehungsprobleme mit seiner Ehefrau aufsucht, konfrontiert ihn mit einer überraschenden Diagnose – Depression. Park reagiert zunächst abwehrend, spürt aber schnell, dass die Diagnose stimmen könnte. Auf Twitter lernt er eine junge Frau kennen, die ihm zunächst Trost spendet und die dann erst zu seiner Freundin und dann zu seiner Lebenspartnerin wird. Sie und ihr Umfeld bringen Park dazu, die Notwendigkeit einer Therapie einzusehen. Eine psychiatrische Privatklinik am Chiemsee hat schnell einen Platz für ihn.

In dieser Klinik am Chiemsee spielt der Hauptteil des Buches: Der gequälte Rechtsanwalt beginnt mit einem intensiven Therapie- und Trainingsprogramm. Durch körperliche Anstrengungen werden sein Körper wieder fitter und sein Geist klarer. An einem Tag zu Beginn der Therapie erkennt der Autor erleichtert:

„Irgendwas hat jeder, und das ist vollkommen okay.“

Die Beschäftigung mit seiner Umwelt, mit Musik, Tanz, Sport und seinen Mitpatienten sowie die therapeutischen Gespräche führen bei Park binnen kurzer Zeit zu einem Perspektivwechsel: Er sieht nicht mehr nur seine Defizite, sondern lässt die Erkenntnis zu, dass er ein beruflich und privat durchaus erfolgreicher Mensch ist, der stolz auf sich sein und seine eigenen Fehler verzeihen darf. Es gelingt ihm, seine negativen Gefühle wie z.B. seine Wut zu erkennen und ihnen einen Platz in seinem Denken zuzuweisen, ohne sich von ihnen überwältigen zu lassen. Dabei findet Park während seines Heilungsprozesses immer wieder gelungene sprachliche Bilder, die den nicht-depressiven Leserinnen und Lesern einen gewissen Einblick in die Mechanismen der Erkrankung geben.

Die Lektüre des Buches ist trotz des bedrückenden Themas ein Vergnügen. An keiner Stelle wirkt der Autor weinerlich oder anklagend und geht allenfalls mit sich selbst ab und an etwas zu hart ins Gericht. An manchen Stellen blitzt ein messerscharfer Verstand auf, und trotz vieler schmerzvoller Schilderungen gibt es immer wieder humorvolle Stellen. Wenn Park über die Beziehung zu seiner kleinen Tochter reflektiert oder das Erleben von Deutschen mit Migrationshintergrund beleuchtet, erfährt der Leser die tiefe Humanität und Menschenfreundlichkeit des Autors. Es ist kein Wunder, dass es Park gelungen ist, auf Twitter und im richtigen Leben trotz seiner Depression vielfache Freundschaften zu schließen und zu bewahren – mit einem solchen Menschen möchte man einfach befreundet sein.

Am Ende des Buches beschreibt Park, dass er seine Krankheit wie die meisten Menschen, die an Depressionen leiden, nicht vollständig überwunden hat. Es ist ihm aber gelungen, Routinen zu entwickeln, um nicht mehr in die dunkle Leere zu laufen. Dazu gehören sportliche Aktivitäten, aber auch der wiedergefundene Kontakt zu seinen Eltern sowie die Veränderung seiner Arbeitsumstände als Rechtsberater. Dass Park trotz seiner Erkrankung ein Hochleister ist, zeigt sein Rekord-Klinikprogramm – er bucht quasi alle verfügbaren Kurse, macht Zusatz-Sporttrainings, veranstaltet schon nach kurzer Zeit Musikabende für seine Mitpatienten, schreibt Dankesbriefe an einen Großteil des Personals und dann auch noch ein Buch über seine Erfahrungen.

Der Autor weist am Schluss selbst darauf hin, dass er nur von einer leichten Form der Depression betroffen ist. Da das Buch rein autobiographisch ist, gewinnt der Leser auch keinen Einblick in stationäre Psychotherapien in öffentlichen Krankenhäusern, medikamentöse Therapien, schwerere Verlaufsformen und die leider häufige Suizidproblematik bei Depressionen. Das macht die Lektüre aber nicht weniger wertvoll. Park geht es nämlich auch darum, für einen offenen und nicht stigmatisierenden Umgang mit der Depression zu werben. Die Seele kann genauso erkranken wie der Körper, und eine psychische Krankheit macht ihn nicht zu einem schlechteren Rechtsanwalt, Vater oder Menschen. Es ist daher zu wünschen, dass diesem rundum empfehlenswerten Buch viele Leserinnen und Leser beschieden sein mögen.

Byung Jin Park: Ins Leere gelaufen. Wie ich meine Depression überwand und mich selbst neu kennenlernte, mvg Verlag München , 239 Seiten, 14,99 €

Wieder mal Fanpost

Eigentlich sollte auf diesem Blog heute die Rezension eines frisch erschienen Buches zur politischen und staatsrechtlichen Situation in der Corona-Krise erscheinen – aber die muss leider noch ein paar Tage warten. Ich bin nämlich wieder einmal in einen veritablen Shitstorm des rechten Randes geraten, weil ich es gewagt habe auszusprechen, dass sich Polizisten nicht von einem wütenden rechten Mob zusammenschlagen lassen müssen, wenn sie auf einer verbotenen Demonstration ihren Dienst tun. An dieser Stelle übrigens gute Besserung an die zwölf verletzten Beamten!

Wie es mit diesen Shitstorms so ist, gerät der (häufig intellektuell nicht auf besonderer Flughöhe befindliche) Mob ziemlich schnell in Empörung, und dann haut er in die Tasten. Zumeist geschieht das zunächst direkt auf Twitter, dann schwappt die Empörung auf Facebook über, und an guten Tagen verschwenden sogar ausgeflippte YouTuber mit zuviel Tagesfreizeit ihre Energie mit meiner Person. Mir soll es recht sein – eine bessere Werbung als die Empörung angebräunter Illiterati gibt es nicht.

Einigen Zeitgenossen gefällt es auch, mir Direktnachrichten und E-Mails zu schreiben. Ein besonders schönes Exemplar hat mich heute Abend vom Info-Account des Gasthofs „Zum Rassen“ in Garmisch-Partenkirchen erreicht. Ausweislich der Google-Rezensionen werden dort die Gäste schon einmal beschimpft, sie würden „zuviel ARD und ZDF schauen“, wenn sie sich darüber beschweren, dass das Personal den Mund-Nasenschutz nachlässig trägt. Schulen wollen im Gasthof „Zum Rassen“ ihre Feiern nicht mehr abhalten, weil die rechtsextreme AfD dort regelmäßig ihre Versammlungen abhält und der Wirt das ganz normal findet. Eben dieser Wirt hat mir heute geschrieben, dass Parasiten (und damit meint er mich) vernichtet gehören. Immerhin im schönsten Latein, aber nicht weniger unfreundlich. Ich kannte den Gasthof „Zum Rassen“ bis heute nicht, empfehle aber unbedingt, dort einmal bei Gelegenheit hinzugehen und dem Wirt zu sagen, was man von derlei Verhalten hält.  Man muss ja weder etwas konsumieren noch dort nächtigen. Alternativ kann man einen Kommentar auf einem der vielen Bewertungsportale abgeben – auf HolidayCheck schmückt sich der Gasthof „Zum Rassen“ zum Beispiel derzeit bereits mit stolzen 2,7 von 6 Sternen.

Ein weiterer freundlicher Zeitgenosse ist Herr Axel Purschke, der mir unter seiner E-Mail-Adresse schokokuss@freenet.de heute die folgenden Zeilen zukommen ließ (man beachte einige interessante Schreibweisen, alle im Original):

 

Von: schokokuss@freenet.de
Datum: 14.03.2021 15:56
Betreff: Hetze gegen Andersdenkende –

Lieber Herr Säfken!

Wie bitte,die CDU ist Rechts??? Die CDU ist dank der Stasimerkel zu einer Linken Dreckspartei verkommen!!! Als konservativer Wähler wähle ich nur noch AfD!

Was hat denn die durchgeknallte Merkel gemacht??? Das Land seit 2015 mit Kuffnucken aus aller Herren Länder geflutet, die uns mächtig auf der Tasche liegen und ganze Städte verkommen lässt!!!

In Österreich hassen die Bürger Frau Merkel,denn auch Österreich hat unter der Masseneinwanderung zzu leiden!

Dann fordern Sie noch das die Polizei gegen Andersdenkende Coronademonstranten die Schusswaffen einsetzt???

Spinnen Sie??? Pfui deibel,schämen Sie sich!!!

Ich hoffe das Ihr Volksverräter eines Tages zur Rechenschaft gezogen werdet!

Würden Sie jetzt vor mir stehen würde ich sie kräftig Ohrfeigen!

Der gute Franz Joset Strauss hätte so charakterlos verkommene Subjekte wie Sie zum Teufel gejagd!

Alex Purschke

 

Es ist immer wieder erhellend, den rechten Rand dieses Landes in Aktion zu erleben. Da ich dafür nur begrenzt Zeit und Nerven habe, werde ich mich gegenüber diesen herausragenden Menschen in Zukunft wieder stärker abschotten. Die Einsicht in den alltäglichen Rassismus, die Brutalität und Abgestumpftheit dieser Zeitgenossen bestärkt mich allerdings darin, auch weiter gegen Schwurbelei und Rechtsextremismus aktiv zu bleiben. Das gebietet schon die staatsbürgerliche Verantwortung.

Und wieder grüßt das Murmeltier: Twitter sperrt

Twitter ist offensichtlich vom kleinen Vögelchen zu einem ziemlich dusseligen Murmeltier mutiert: schon wieder sperrt es grundlos. Diesmal hat es mich für einen sarkastischen Tweet aus dem Jahre 2018 blockiert, in dem ich einem Troll geantwortet habe, der der Meinung war, dass sich Opfer von Gewalt nicht so anstellen sollten. Das ist nun schon das zweite Mal, nachdem ich beim ersten Fall mit meiner Abmahnung erfolgreich war.

Gestern Abend erreichte mich nun die folgende Nachricht:

Ein Algorithmus kann wahrscheinlich weder den Kontext noch den Sarkasmus in meiner Aussage erkennen. Menschen, die das könnten, sind Twitter offensichtlich zu teuer.

Wieder sperrt Twitter den Account, ohne dies anderen Nutzern kenntlich zu machen. Wieder nimmt Twitter dem Nutzer die Möglichkeit, zumindest private Nachrichten zu empfangen und zu versenden. Wieder reagiert Twitter nicht zeitnah auf die Beschwerde und nimmt keine individuelle Prüfung vor.

Dieses rechtswidrige Verhalten wird zu unterbinden sein. Ich selbst bin nur einer von tausenden oder mehr Betroffenen. Es wird Zeit, dass sich diese zusammentun und ein Legal Action Team gründen, das Twitter dort trifft, wo es richtig weh tut: bei den Einnahmen.

Wie ich einmal fast ins ARD-Fernsehen gekommen wäre

Am vergangenen Freitag saß ich mit meiner Familie in einem Amsterdamer Café, als das Telefon läutete. Es meldete sich eine Mitarbeiterin des Rundfunks Berlin-Brandenburg (rbb), die für das Fernsehmagazin Kontraste an einem Beitrag über den Rechtsruck in der CDU arbeitete. Sie war bei ihrer Recherche auf meinen Tweet zu Annegret Kramp-Karrenbauer gestoßen, in dem ich meinen Parteiaustritt erklärt hatte, und der zu über 22.000 Reaktionen von Twitterern geführt hatte:

Zu diesem Tweet, meinen früheren ehrenamtlichen Tätigkeiten für die CDU und meine Ansicht zur so genannten Werteunion befragte mich die Journalistin einige Minuten und meinte dann, dass das eine wunderbare Ergänzung zu ihrem Beitrag darstelle – ob ich wohl bereit wäre, dazu in den kommenden Tagen ein Interview aufzuzeichnen?

Da ich gerne Auskunft gebe, wenn man mich etwas fragt, und eine gewisse Eitelkeit mir ebenfalls nicht fremd ist, sagte ich kurzentschlossen zu. Das führte zu einer ganzen Reihe weiterer Telefonate, um einen Termin für die Aufzeichnung des Interviews zu finden. Die Redaktion schlug u.a. vor, dass ich den CDU-Ortsverband Haste (ein Stadtteil von Osnabrück) bei seinem alljährlichen Spargelessen mit meinem Unmut über den Rechtsruck der Partei konfrontieren sollte. Das könnte doch tolle Diskussionen und lebendige Bilder erzeugen. Diesen Vorschlag lehnte ich ab – erstens kenne ich so gut wie niemanden in diesem Ortsverband, zweitens möchte ich niemanden mit einem ARD-Fernsehteam beim Spargelessen stören (schon gar nicht den CDU-Ortsverband Haste, der mit hoher Wahrscheinlichkeit unschuldig am Treiben der so genannten Werteunion ist), und drittens hatte ich an diesem Abend schon einen beruflichen Termin in Hannover.

Wir einigten uns deshalb darauf, am vergangenen Dienstag ein Interview in Hannover zu führen. Ein von mir empfohlenes Restaurant in der Oststadt stellte eigens außerhalb der Öffnungszeiten seine Terrasse zur Verfügung, und zwei Baustellen an der Straße stellten zeitweise ihre Arbeit ein. Nach einem halben Schulungstag an unserer Krankenhausakademie, an der ich ein Seminar über Rechtsprobleme der Sterbehilfe gegeben hatte, kam ich etwas abgehetzt in der Nähe des Drehortes an. Ich bemerkte, dass mir die Haare wild vom Kopf abstanden. Schnell nahm ich deshalb noch einen kurzen Umweg zu einem in der Nähe gelegenen Supermarkt (oben sagte ich ja schon etwas zum Thema Eitelkeit), um einen Kamm oder eine Haarbürste zu erwerben. Allerdings musste ich bald feststellen, dass ich in das einzige Geschäft Mitteleuropas geraten war, das solche Gegenstände in ihrer Abteilung für Hygieneartikel nicht führte. Notdürftig strich ich mir also mit den Fingern die Haare glatt und eilte zum Drehort.

Dort begrüßten mich die Reporterin Cosima Gill, ein Kameramann und ein Mitarbeiter für den Ton. Ich war erstaunt, dass das Team gleich zwei Kameras mitgebracht hatte, während ich doch nur ein einziges Gesicht für den Beitrag zur Verfügung stellen konnte. Frau Gill erklärte das damit, dass sich die ARD für ihre Magazinsendungen eine hochwertigere Optik leiste, als das zum Beispiel bei Nachrichtensendungen wie der Tagesschau der Fall sei. Auch gäbe es in den Nachrichtenmagazinen deutlich mehr Zeit, um Hintergründe zu recherchieren, Beiträge zu konzipieren und zu schneiden. Der Zuschauer nehme das gut an, die Redaktion erhalte auch regelmäßig viele Reaktionen, und nach jeder Sendung gäbe es zudem eine professionelle externe Sendungskritik, die Verbesserungsvorschläge mache.

Dass man sich für mich als einfaches (ehemaliges) Parteimitglied von der Basis ohne Amt, Funktion und Ambitionen auf eine politische Karriere interessierte, erstaunte und erfreute mich natürlich. Frau Gill erläuterte mir, dass man im Kontraste-Beitrag zunächst über die Werteunion als Scharnier zur rechtsnationalen AfD berichten wolle und mich am Ende des Beitrags als ehemaliges „einfaches Mitglied“ zu Wort kommen lassen wolle, das sich (auch) deshalb von der CDU abgewendet habe. Das fand ich passend, weshalb ich dann über etwa zwei Stunden immer wieder erläuterte, warum ich nach 19 Jahren aus der CDU ausgetreten war: Das Statement der Parteivorsitzenden zur ihrer Ansicht nach notwendigen Regulierung der Meinungsfreiheit im Internet war nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hatte. Es ist tatsächlich so, dass mich der spürbare Rechtsruck in der CDU insgesamt besorgt , der sich auch durch die so genannte Werteunion ausdrückt.

Einige Statements musste ich ungefähr zehn Mal wiederholen, weil sie entweder zu lang waren, zu wenig „Emotionen rüberbrachten“ („Regen Sie sich doch mal richtig auf!“) oder weil ich entgegen der Regieanweisung direkt in die Kamera geschaut hatte. Dennoch attestierte mir Frau Gill später, dass viel brauchbares Material entstanden sei und ich mich für jemanden, der noch niemals ein Fernsehinterview geführt hatte, ganz ordentlich geschlagen hätte.

Mit dem Interview war die Sache allerdings noch nicht erledigt. Anschließend wurden noch so genannte „Schnittbilder“ gedreht, die in einem Beitrag verwendet werden können, während der Sprecher dem Zuschauer etwas erklärt. Ich tippte also wild in die Tasten meines Notebooks, öffnete diverse Tweets, schaute mit Frau Gill Bilder an, die Ausschnitte aus meiner früheren kommunalpolitischen Basisarbeit zeigen, und ging mit ihr mein eigens mitgebrachtes Austrittsschreiben durch, das ich vor ein paar Tagen an das Konrad-Adenauer-Haus gesendet hatte.

Nach einer weiteren halben Stunde waren auch diese Bilder im Kasten. Nun sollte es aber noch zu einem CDU-Plakat gehen, um dem Zuschauer auch eine optische Verbindung zur Partei zeigen zu können. Das Problem dabei: Einige Tage nach der Wahl waren die meisten Plakate der Parteien schon abgehängt worden, weil Bußgelder drohen, wenn man sie nach einer Wahl zu lange hängen lässt. Die CDU Hannover macht diesbezüglich eine hervorragende Arbeit, und wir mussten bis ans südliche Ende des Maschsees fahren, um noch einige Plakate zu entdecken. Vor denen lief ich dann noch etwas hin und her, um nochmals „mit langer Brennweite“ gefilmt zu werden.

Während der Fahrt durch die Stadt erfuhr ich von Frau Gill dann noch diverse Details zu den Produktionsprozessen in der Redaktion und Erlebnisse, die Reporterinnen und Reporter dieser Tage machen, wenn sie über Rechtsextreme berichten. Wer sich für die erschreckenden Details interessiert, mag auf dem Blog Medien.Macht.Verantwortung nachlesen. Bemerkenswert fand ich auch die Aussage, dass Menschen in Westdeutschland, die nicht interviewt werden wollten, dies einfach so sagten, während eine Absage in Ostdeutschland oft mit Beleidigungen und Beschimpfungen sowie Sprüchen über die „Lügenpresse“ und den „Staatsfunk“ verbunden seien.

Insgesamt sind an diesem Nachmittag mehr als 30 Gigabyte Rohmaterial entstanden, die noch am gleichen Abend geschnitten und in den Beitrag eingefügt werden sollten. An Tagen kurz vor der Sendung werde von der Redaktion über die Grenzen des Arbeitszeitgesetzes hinaus gearbeitet, dafür sei es dann aber in anderen Wochen etwas entspannter.

Zwei Tage später, am gestrigen Donnerstag, sollte der Beitrag dann gesendet werden. Etwa drei Stunden vor der Sendung erhielt ich einen Anruf, dass man es sehr bedauere, dass man mich aus dem Beitrag herausnehmen müsse. Kurzfristig hätte man noch Statements der CDU-Politiker Ruprecht Polenz und Elmar Brok erhalten und lange innerhalb der Redaktion diskutiert, was den Beitrag besser abschließen würde. Dabei sei dann mein Interview entfallen.

Ich bin darüber nicht besonders unglücklich. Die Entscheidung der Redaktion zeigt zwar, dass man dem ARD-Zuschauer immer noch lieber den etablierten Politikbetrieb zeigt als Akteure, die in den sozialen Netzwerken mitreden. Persönlich habe ich allerdings nur ein paar Stunden meiner Zeit geopfert und dabei viel über die Arbeit von Redaktionen und die technische Fernsehproduktion gelernt. Ein bisschen davon möchte ich mit diesem längeren Blogbeitrag teilen, der natürlich nicht enden soll, ohne auf den fertigen Beitrag der Kontraste-Redaktion zu verlinken.

Twitter abgemahnt

Wie die fleißigen Leserinnen und Leser meines Blogs wissen, hat Twitter am vergangenen Freitag wegen eines alten Witzes über das Unterschreiben von Stimmzetteln meinen Account gesperrt. Meine Einsprüche vom Freitag und Samstag sind bis heute ohne Reaktion geblieben. Daher bin ich heute Vormittag dem Vorschlag der Kanzlei Löffel Abrar gefolgt und habe das Unternehmen per Fax abgemahnt. Die gesetzte Frist läuft bis morgen Abend um 18.00 Uhr – in mehr als 30 Stunden sollte ein globaler Internetkonzern in der Lage sein, auf das richtige Knöpfchen zu drücken. Sollte mein Account bis dahin nicht wieder zugänglich sein, werde ich versuchen, vor Gericht eine einstweilige Verfügung gegen Twitter zu erwirken.

Übrigens bin ich seit heute auch bei Mastodon aktiv. Das Netzwerk sieht erfolgversprechend aus, und Rechtsextreme habe ich bisher auch nicht gesichtet.

Update: Twitter hat meinen Account rund zwölf Stunden nach Erhalt der Abmahnung wieder freigeschaltet.

Fanpost

Wieder einmal habe ich Fanpost bekommen. Diese hier ist allerdings derart hanebüchen, dass ich sie gerne mit meinen Leserinnen und Lesern teilen möchte. Anonymus schreibt (alle Rechtschreibfehler wie im Original):

Wa sind sie denn für ein Spinner ???

…in einer Judenpartei wobei dieser Gott der Juden 2,5 Milliarden Menschen hat schlachten lassen, und über den WWII schreiben Sie nur Lügen, Sie haben einen echten Dachschaden….
und als Jurist wissen sie das Deutschland eine Firma ist und eben alle Gesetze ja sogar das GG nicht mehr gültig sind.

Nur dumme kürzen SOzalist mit ZI und Lager mit Z ab.

Handelt es sich um einen Aluhut? Einen Wahnwichtel? Einen Reichsbürger? Gar einen in der Wolle gefärbten Nazi? Man weiß es nicht. Zweifellos jedenfalls ein Antisemit und Internet-Troll, von dem man am liebsten überhaupt nichts mehr lesen möchte. Falls jemand in der Lage sein sollte, einen bestimmten Internetanschluss mittels einer IP zu identifizieren, freue ich mich über eine Nachricht.

Twitter kippt nach rechts

Pünktlich zum Jahrestag der Bücherverbrennung am 10. Mai hat es der Kurznachrichtendienst Twitter geschafft, zahlreiche Accounts von Juristen, Politikern, Publizisten und anderen Nutzern zu sperren – darunter auch meinen. Was ist passiert? Das soziale Netzwerk hat neue Regeln eingeführt, um zu verhindern, dass Falschinformationen zur Europawahl am 26. Mai 2019 verbreitet werden. Dieses an sich löbliche Ansinnen hat Twitter aber entweder extrem schlecht programmiert, so dass auch uralte Tweets sowie leicht erkennbare Ironie direkt zu einer Sperre des Accounts führen. Oder, und das erscheint angesichts der Nicht-Reaktion des Netzwerks mittlerweile nicht unwahrscheinlich, die Twitter-Eigentümer verfolgen mittlerweile eine Agenda am rechten politischen Rand.

Anders als manch feixende Rechtsextreme behaupten, hat diese Sperre allerdings nichts mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) zu tun, das dafür sorgen soll, volksverhetzende und sonst strafbare Inhalte in sozialen Netzwerken wirksam zu unterbinden. Die Entscheidungen Twitters, auch völlig rechtskonforme Informationen zu entfernen, kann es jedenfalls nicht auf das NetzDG stützen. Denn rechtlich nicht zu beanstandende Äußerungen werden vom Anwendungsbereich des NetzDG überhaupt nicht erfasst, was man leicht am Wortlaut des § 3 des kurzen Gesetzes erkennen kann. Außerdem beschränkt Twitter sich nicht auf eine Löschung der beanstandeten Tweets, sondern macht den Accountinhaber durch eine Sperre gleich völlig mundtot. Auch mit Zensur hat die Sache nichts zu tun, denn als ich das letzte Mal nachgeschaut habe, war Twitter noch kein staatliche Behörde.

Wahrscheinlich handelt Twitter jedoch rechtswidrig, weil es durch sein Verhalten das Vertragsverhältnis mit den betroffenen Nutzern verletzt. Es ist nämlich ein weit verbreiteter Irrtum, dass kostenlose Dienste wie Twitter gegenüber ihren Benutzern keine vertraglichen Pflichten hätten. Solange Twitter eine Dienstleistung verspricht und mit den empfangenen Daten Geld (z.B. durch die Ausspielung von Werbung) verdient, darf es nicht einseitig Löschungen erzwingen und Zugänge sperren – jedenfalls sofern sich ein betroffener Benutzer zuvor nicht selbst rechts- bzw. vertragswidrig verhalten hat. Irgendwelche Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die die neuen Regelungen zur Wahlinformation enthalten und die Twitter nun auch auf alte Tweets anwendet, hat es jedenfalls bei Bestandsnutzern nicht wirksam in das Vertragsverhältnis einbezogen.

Der Grund für meine ganz persönliche Sperre liegt in einem Tweet aus dem Januar  2019, also viele Wochen vor den neuen Twitter-Regeln für Wahlinformationen. Darin hatte ich den alten Witz gebracht, dass AfD-Wähler wohl vergessen hätten, ihren Wahlzettel zu unterschreiben. Dieser Spruch ist so banal, so abgedroschen, so erkennbar unrichtig und so offensichtlich vom Recht der freien Meinungsäußerung umfasst, dass ich mich fast schäme, ausgerechnet deswegen gesperrt worden zu sein. Dass ich mich in sehr guter Gesellschaft befinde, zeigen allerdings die Twitter-Sperren des Rechtsanwalts Kim Manuel Künstner, der PARTEI Niedersachsen, des Sprechers der Berliner SPD-Fraktion Sven Kohlmeier, der Jüdischen Allgemeinen etc. Die Liste ließe sich noch deutlich verlängern.

Twitter hat mir angeboten, den Tweet entweder zu löschen oder gegen die Sperrung Einspruch einzulegen. Ich hänge wahrlich nicht an dem Tweet mit dem alten Witz. Allerdings widerspricht es meinem Charakter, von dem Kakao zu trinken, durch den mich das Unternehmen Twitter gerade zieht. Dieses offensichtlich rechtswidrige Handeln werde ich nicht unterstützen, indem ich einen harmlosen Tweet lösche, nur weil er einigen Gestalten vom rechten Rand nicht gefällt. Deshalb habe ich gleich am Freitag mit einer recht launigen und kurzen Begründung Einspruch gegen die Löschung erhoben. Dieser wurde dann allerdings nicht beschieden. Stattdessen bot mir das Netzwerk am Samstag gleich noch einmal an, Einspruch zu erheben. Das habe ich dann noch einmal getan und in der Begründungszeile gefragt, ob das Unternehmen gesteigerten Wert darauf lege, mit mir eine gerichtliche Auseinandersetzung über die Rechtswidrigkeit des beanstandeten Tweets zu führen. Darauf folgte bis jetzt, Montagabend, keine Reaktion.

Wahrscheinlich sind Twitters Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit der Bearbeitung solcher Einsprüche befasst sind, zeitlich und intellektuell deutlich überfordert. Gern werden Entscheidungen über gesperrte Inhalte, sofern sie überhaupt von Menschen und nicht von Algorithmen getroffen werden, in ferne Länder mit anderen Sprachen und billigen Löhnen ausgelagert. Dass Twitter sich rechtlich auf dünnem Eis befindet, zeigt allerdings die meines Erachtens zutreffende Einschätzung der Kanzlei Loeffel Abrar, die ein prozessuales Vorgehen gegen Twitter empfiehlt. Nicht umsonst wird im Netz bereits danach gefragt, ob man nicht das kostengünstige Instrument der verbraucherrechtlichen Musterfeststellungsklage nutzen sollte, um Twitter das rechtswidrige Sperren auszutreiben.

Dass das neue Instrument der Meldung von Falschinformationen zu Wahlen von Rechtsextremen systematisch genutzt wird, um politische Gegner mundtot zu machen, verwundert nicht. Wenn der rechte Rand versucht, selbst so unbedeutende Twitterer wie mich mundtot zu machen, die ohne Prominenz und ohne jegliches politische Mandat nur wenigen tausend Followern ihre oft pointierte, aber zumeist unmaßgebliche Meinung sagen, zeigt das den Fanatismus und die undemokratische Diskurskultur der Rechtsextremen. Seit Jahren versucht der rechte Rand, finanziert aus dubiosen Quellen, jede Äußerung gegen organisierte Menschenfeindlichkeit, Rassismus und Ausländerhass sowie die blaue Nachfolgepartei der NSDAP mundtot zu machen. Ich habe zwar derzeit keinen Zugang zu meinem Twitteraccount, kann aber trotzdem lesen, dass rechtsextreme Troll-Accounts und Antisemiten unter meinen letzten Tweets mit allerlei Häme und falschen Behauptungen meine Sperrung abfeiern. Diese Leute haben offensichtlich nichts anderes zu tun, als den lieben langen Tag Tweets zu melden, die sich kritisch mit den dunklen Machenschaften der Rechtsextremen und ihrer politischen Vertreter auseinandersetzen. Bisher hatte das wenig Erfolg – nun haben sie ein Instrument gefunden, das ihnen Twitter offenbar willig in die Hand gedrückt hat.

Das Ziel der Rechtsextremen besteht in der Hegemonie über den öffentlichen Diskurs. Die AfD und ihre Gesinnungsgenossen haben es in den letzten Jahren vermocht, die Grenzen des Sagbaren immer weiter nach rechts zu verschieben, um die Dümmsten und Bösartigsten dieses Landes dazu zu bewegen, sie ins Parlament zu wählen – bekanntermaßen waren sie damit erfolgreich. Juden- und Islamhass werden in Deutschland mittlerweile wieder offen ausgelebt, einige Teile der (ost-)deutschen Provinz gelten sogar als „national befreite Zonen“. Das nächste Ziel der Rechten besteht darin, sichtbare Exponenten des demokratischen Rechtsstaats und der Zivilgesellschaft zu beschädigen – von der „Merkelnutte“ über die „Klimagöre“ bis hin zum „linksgrünversifften Rechtsverdreher“ (alles Begriffe, die für Twitter übrigens kein Grund zum Sperren sind). Da passt ein Jurist, der (noch) CDU-Mitglied ist und sich stets für die Achtung von Grund- und Menschenrechten ausspricht, ideal ins Feindbild der Rechtsextremen. Warum sollte man auch zwischen Linken, Grünen, Sozial-, Frei- und Christdemokraten differenzieren, wenn sie doch alle Teil des verhassten demokratischen Nachkriegsdeutschlands sind? Wer das nationalsozialistische Unrecht zum „Fliegenschiss“ umlügt, weiß genau, in wessen Fußstapfen er tritt.

Das massenweise Melden führt dazu, dass sich lustigerweise gleich mehrere Twitter-Nutzer damit brüsten, mich zum Schweigen gebracht zu haben. Antisemiten und Muslimhasser (die natürlich „nur gegen Beschneidungen“ oder „nur gegen das Kopftuch“ sind, wer’s glaubt wird selig) geben sich die Klinke in die Hand. Der sich von mir beleidigt fühlende Christoph Lemmer aus Bad Aibling, an den ich mich nicht einmal erinnere und dessen rechtlich unbeholfenes Impressum mich erheitert (Unterlassungsverfügung vor dem Landgericht Hamburg, anyone?), berühmt sich zwar heftig, mich zur Strecke gebracht zu haben. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass die Aussage des österreichischen Politikberaters  Robert Willacker stimmt, dass er mich wegen unzutreffender Aussagen zur Wahl gemeldet und Twitter mich auf seine Veranlassung hin gesperrt hat. Laut seinem Profil ist Willacker in der rechtsextremen Verbindungsszene aktiv und in der österreichischen Politik gut vernetzt. Er arbeitet für die Wiener Politikberatungsgesellschaft Policon. Seit ihrer Regierungsbeteiligung hat die FPÖ wieder vermehrt Zugang zu den Finanzmitteln der Republik Österreich und ist daher in der Lage, solche Berater zu finanzieren, die auch in den deutschsprachigen Nachbarländern massiv die Politik beeinflussen (sollen).

Profilbild des rechtsextremen Twitter-Nutzers Robert Willacker. Will er besonders lässig wirken? Kann er sich alleine nicht die Schleife binden? Man weiß es nicht und will es eigentlich auch nicht wissen.

Der rechte Sumpf ist ein gesamteuropäisches Problem, und Twitter nur ein kleines Mosaiksteinchen. Die jüngsten Sperrungen werden auf Antrag der FDP-Fraktion am Mittwoch im Digitalausschuss des Deutschen Bundestages in nichtöffentlicher Sitzung thematisiert werden. Ob das Netzwerk darauf reagieren wird, ist noch ungewiss. Bis dahin haben wir Nutzer eine Option: uns einen anderen Ort zum Diskutieren zu suchen. Es gibt genug Alternativen zu Twitter. Ich werde mein Profil zwar noch nicht löschen, sondern erst noch die Reaktion auf meinen Einspruchs abwarten und dann die möglichen weiteren Schritte überdenken. Für alle Fälle habe ich mir aber schon ein Profil bei Mastodon eingerichtet. Vielleicht sehen wir uns dort, oder gerne auch hier auf dem Blog!

Facebook ist nicht zu retten

Schon im ersten Beitrag dieses Blogs habe ich von schweren Mängeln des sozialen Netzwerks Facebook geschrieben, die weniger technischer Natur sind, als sich vielmehr in mangelndem Community-Management und geistiger Verwahrlosung eines Teils der Nutzerschaft zeigen. Offenbar ist dieses Problem noch wesentlich schwerwiegender, als ich zunächst vermutet hatte.

Vor zwei Wochen hat mich Facebook grundlos für eine Woche gesperrt. Grundlos heißt in diesem Fall inhaltlich grundlos. Die Ursache der Sperrung liegt nämlich darin, dass mich die Anhänger der blaubraunen Partei massenhaft gemeldet haben, weil ihnen eine meiner Twitternachrichten nicht gefiel. Während Twitter ordnungsgemäß prüft und bisher keinen meiner Tweets beanstandet hat, ist Facebook bekanntermaßen AfD-affiner, verdient mit Beratung und Werbung für diese Partei viel Geld und prüft deren Meldungen entweder überhaupt nicht oder nicht ordnungsgemäß.

Meine erste Reaktion bestand darin, die Löschung inhaltlich anzugreifen und mich über ein Formular bei Facebook zu beschweren. Natürlich erfolgte keine Reaktion. Facebook will keine Interaktion mit seinen Nutzern, denn sie sind keine Kunden, sondern das Produkt, mit dem Facebook Werbeanzeigen verkauft. Zuviel Unruhe stört das gute Geschäft, und das läuft in Diktaturen und autoritären Gesellschaften bekanntlich ebenso gut wie in liberalen Demokratien. Ich erstellte mir – entgegen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen – auch ein Zweitprofil (Warum soll ich mich an die AGB halten, wenn Facebook sich nicht einmal an das deutsche Recht hält?), erstellte ein Titelbild mit dem Slogan „Facebook ist kaputt. Können wir es reparieren?“ und begann, wieder Kontakte zu knüpfen.

Doch das war möglicherweise voreilig. Ein Netzwerk, das sich ganz offenbar keinen Deut dafür interessiert, ob in seinen Kommentarspalten der braune Mob tobt und dessen Technik ermöglicht, dass sachgrundlose, rein politisch-bösartig motivierte Meldungen zum Sperren demokratischer Diskursteilnehmer missbraucht werden, ist es vielleicht gar nicht wert, dass man Mühe und Aufwand in seine Rettung setzt. Das bunte, internationale Akademikernetzwerk, das Facebook im Jahre 2006 noch war, ist jedenfalls zu einer blaubraunen Jauchegrube verkommen, die man hochtrabend vielleicht noch als Echokammer, aber kaum noch als politische Agora bezeichnen kann. Dies wird auch dadurch unterstrichen, dass massive Beleidigungen, Bedrohungen und üble Nachreden gegenüber Diskutanten und sogar deren Familien (die Sippenhaft lässt grüßen) von Facebook ebenfalls nur im Ausnahmefall verfolgt werden.

Ich habe daraus meine Konsequenz gezogen und werde Facebook nur noch mit meinen Blogbeiträgen und Twitter-Tweets füttern. Falls das zu Sperrungen führt, dann sei es so. Wer mit mir in Kontakt bleiben möchte, den lade ich herzlich ein, mir auf mein Twitterprofil zu folgen. Auf Twitter tobt zwar manchmal auch der blaubraune Mob, aber die dortige Moderation funktioniert wesentlich besser: Nazi-Beiträge werden relativ zuverlässig gesperrt, ich selbst habe auf Twitter trotz etlicher Sperrungsversuche der blaubraunen Brüder (die auch dort aktiv sind) bisher keine Probleme.

Alternativ bin ich auch über die Kommentare hier im Blog erreichbar. Rechnet aber nicht damit, mich noch regelmäßig auf Facebook oder über dessen Messenger zu erreichen. Denn lieber wechsele ich die Plattform, als mich dem gefährlichen rechtspopulistischen Wahnsinn von NPD, AfD und deren Anhängern zu unterwerfen.